Die Magier 01. Gefährten des Lichts - Six héritiers (Le Secret de Ji, Bd. 1)
Dachluke auf.
Keuchend und schnaufend hievte er sich aufs Dach. Seine Schläfen pochten vor Aufregung. In den Hügeln blitzte immer noch das Licht auf, und wer die Zeichen auch geben mochte, wusste nichts von der Gefahr, die sich ihm im gestreckten Galopp näherte. Yan hob den Spiegel hoch über seinen Kopf und drehte ihn in alle Richtungen. War die Fläche überhaupt groß genug, um die Sonnenstrahlen auf eine so große Entfernung zu spiegeln?
Würden sie ihn erwischen? Wäre er bald tot?
Die Blinkzeichen setzten aus. Dann blitzte das Licht drei Mal kurz auf, bevor es endgültig erlosch.
Yan hörte auf, den Spiegel zu schwenken. Anscheinend war das eine Antwort gewesen. Er hatte es geschafft!
Ein glückliches Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er hatte es geschafft, vielleicht ein Leben gerettet oder zumindest demjenigen, der dort in den Hügeln stand, etwas Hoffnung gegeben. Ein Erbe … Es musste einfach ein Erbe sein.
Hoffentlich verfiel derjenige jetzt nicht auf die Idee, nach Berce zu kommen!
Er schob den Gedanken beiseite und beschloss, sich zunächst um sein eigenes Los zu sorgen. Er rieb sich den Dreck aus dem Gesicht, wickelte den Spiegel in ein Stück Stoff, das er gefunden hatte, und warf das Bündel schwungvoll auf das Dach des gegenüberliegenden Hauses. Dann unternahm er eine waghalsige Kletterpartie an der Außenwand hinunter, weil er Angst hatte, erwischt zu werden, wenn er wieder die Treppe nahm.
Eine Ratte in der Falle kann den satten Wolf bezwingen … Niemals hätte er geglaubt, dass er zu so etwas fähig wäre!
Lebt Grigán immer so?, fragte er sich abermals, bevor er zu Boden sprang.
Die Reiter kehrten erst spät am Abend zurück, als das Fest bereits in vollem Gang war. Erleichtert bemerkte Yan, dass sie weder Gefangene noch Leichen mitbrachten. Auch hatten sie nicht die triumphierenden und stolzen Mienen von Siegern. Der Unbekannte war ihnen anscheinend entkommen.
Yan warf den drei Priestern nur einen flüchtigen Blick zu, um keinen Verdacht zu erregen. Trotzdem sah ihm einer der Männer direkt in die Augen. Wieder erstarrte Yan unter seinem Raubtierblick. Glücklicherweise setzte der Zü seinen Weg fort und musterte die Passanten gleichgültig.
War er der Einzige, der Angst hatte? Alle anderen schienen nichts zu bemerken. Er fragte sich, was die Leute sagen würden, wenn sie wüssten, dass sich eine Bande Mörder in ihrem Dorf eingenistet hatte. Wahrscheinlich wäre das Dorf in kürzester Zeit wie leergefegt.
Die Reiter trennten sich, und die drei Züu schlugen den Weg zum Weinhändler ein. Yan beschloss, ihnen zu folgen, da er hoffte, noch etwas mehr herauszufinden. Für die Festbesucher, die sich hemmungslos betranken, zum Klang einer Vigola und einer Zimbel tanzten oder einander den Hof machten, interessierte sich Grigán gewiss nicht. Außerdem hörte das lorelische Mädchen nicht auf, ihm zuzuwinken. Es stand zu befürchten, dass sie früher oder später zu ihm zurückkam und ihn in ein Gespräch verwickelte. Ihn vielleicht sogar zum Tanz aufforderte! Auf neuerliche Peinlichkeiten konnte er gut verzichten.
Als sie ihm das nächste Mal zuwinkte, erwiderte er die Geste halbherzig und tauchte dann rasch in der Menge unter. Besonders höflich war das nicht, aber ihm fiel nichts Besseres ein. Außerdem musste er eventuelle Verfolger abschütteln …
Mit schnellen Schritten ging er zurück zur Herberge. Ohne das große Feuer, das auf dem Platz brannte, kroch ihm die nächtliche Kälte rasch in die Knochen.
Auf dem Fest hatte es kein Essen gegeben, doch wie viele andere Besucher hatte er in der Schänke etwas Brot und Pastete gegessen. Er war völlig ausgehungert gewesen. Jetzt war er froh darüber. Wenn er allein mit den Züu in dem riesigen Schankraum der Herberge zu Abend essen müsste, würde er keinen Bissen herunterbekommen.
Bald erreichte er die Herberge. Diesmal saß der Bettler nicht an seinem angestammten Platz. Yan hatte ihn auf dem Festplatz mehrmals gesehen, immer an verschiedenen Stellen. Er war froh, ihm nicht schon wieder zu begegnen.
Mit einem raschen Blick durch das Fenster vergewisserte er sich, dass der Schankraum leer war. Kaum hatte er die Tür aufgeschoben, tauchte der Wirt auf und versuchte vergeblich, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Yan nahm den Kerzenhalter, den der Wirt ihm reichte, wünschte höflich eine gute Nacht und flüchtete die Treppe hinauf in den ersten Stock, denn einem weiteren Redeschwall fühlte er sich nicht
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