Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
Nächstes das Mittenmeer überqueren, so sicher, wie am Morgen die Sonne aufging.
Natürlich würde es niemals dazu kommen.
»Postiert auch Männer in Benelia«, befahl der Judikator. »Es kann sein, dass sie von dort aus einschiffen.«
»Natürlich«, sagte Zeanos, der glücklich war, so leicht davonzukommen.
»In der nächsten Dekade begleite ich Euch zum Markt im Kleinen Palast. Ich möchte sehen, wie diese jämmerlichen Gestalten aussehen, wenn sie überhaupt verrückt genug sind, sich noch einmal mit uns zu treffen. Und dieses Mal werdet Ihr mich sprechen lassen.«
»Wie Ihr wünscht, Judikator.«
»Ihr werdet kein Wort sagen. Für Euch habe ich einen besonderen Auftrag.«
Yan hatte Corenn noch nie so nervös erlebt. Er hatte das Gefühl, nicht er müsse die Prüfung ablegen, sondern sie.
Die Ratsfrau bat ihn, die Aufgabe zu wiederholen, doch Yan hatte Angst zu scheitern.
»Beim ersten Mal habe ich fast drei Tage gebraucht«, sagte er. »Vermutlich dauert es dieses Mal mindestens zwei. Ich nehme nicht an, dass wir uns zwei Tage lang im Wald verstecken werden.«
Das war eher eine Frage als eine Feststellung. Vielleicht würde Corenn ihn tatsächlich zwingen, sich zwei Tage lang auf die Mondkönigin zu konzentrieren. Ihr lag die Sache offenbar sehr am Herzen.
»Keine Angst, es wird schneller gehen, falls du die Münze tatsächlich zu Fall gebracht hast. Dann hat sich dir dein Wille nämlich offenbart, wie wir es nennen. Jedes Mal, wenn du Magie anwendest, stärkst du deinen Willen, als würdest du einen Muskel trainieren. »
Anscheinend war Corenn noch immer nicht ganz überzeugt, dass er die Prüfung tatsächlich bestanden hatte. Angesichts ihrer Skepsis wurde er selbst unsicher. Doch dann erinnerte er sich an die Hitze, das Pochen seines Herzschlags in den Schläfen und die Kraft, die von seinem Geist ausgeströmt war. Er hatte gespürt, was Corenn den »Willen« nannte.
Sie ließen sich an ihrem angestammten Platz nieder, einige hunderte Schritte von Rajis Hof entfernt. Yan hatte so viele Dekanten auf der Waldlichtung verbracht, dass er sich hier schon richtig heimisch fühlte.
»Lass uns gleich anfangen«, sagte Corenn. »Ich möchte so schnell wie möglich zu den anderen zurück.«
Yan war klar, dass das nicht der einzige Grund war. Sie konnte es kaum erwarten, ihn am Werk zu sehen, so wie er es vor einigen Tagen kaum hatte erwarten können, dass sie ihm eine Kostprobe ihrer Kunst gab.
»Darf ich die Mondkönigin nehmen?«
»Ganz wie du willst, Yan.«
Natürlich entschied er sich für den Anhänger, der ihm schon beim ersten Mal Glück gebracht hatte. Er stellte ihn vor sich hin und legte sich bäuchlings auf den Boden, wie so oft in den vergangenen Tagen.
Zunächst fiel es ihm schwer, sich zu konzentrieren, da er Corenns Anwesenheit und ihren Blick spürte, obwohl sie schwieg und sich nicht rührte. Doch schon bald glitt er in den Hypnosezustand, den er mittlerweile absichtlich herbeiführen konnte.
Sein Geist verschloss sich vor allem, was nicht die Mondkönigin war. Erst verlor er den Geschmackssinn, was ihm nicht weiter auffiel, da Menschen diesen Sinn ohnehin kaum gebrauchen. Als Nächstes setzte sein Geruchssinn aus. Er roch nicht länger die wilden Düfte des lorelischen Walds, das saftige Gras, die feuchte Erde und den Modergeruch der toten Baumstämme.
Er nahm immer weniger von der Außenwelt wahr, vergaß seinen Körper, spürte nicht länger das Gewicht seiner Beine auf dem Boden, die Schwere seines Beckens, den Druck seines Oberkörpers auf den Ellbogen: Er verlor den Tastsinn.
Das Knacken der Zweige, das Vogelgezwitscher, das Tapsen und Rascheln von Tausenden Beinchen und Flügeln von überall her, und auch sein eigener Atem und Herzschlag rückten in den Hintergrund und verschmolzen zu einem entfernten Summen, das immer schwächer wurde und schließlich vollkommen verstummte. Er büßte das Gehör ein.
Dann trübte sich der Himmel, die Bäume verblassten und das Gras war nur noch ein unscharfer Farbfleck. Yan sah, spürte und hörte nichts anderes mehr als die kleine blaue Muschel. Bald verschwand auch der Gegenstand selbst. Nun konzentrierte sich Yan nur noch auf seine Vorstellung von der Mondkönigin. Ihr Wesen. Ihren Geist.
Er war froh, dass er es gleich beim ersten Versuch auch nur bis hierher geschafft hatte, ohne die Konzentration zu verlieren und von vorne beginnen zu müssen. Denn das Schwierigste stand ihm noch bevor: Er musste die Muschel allein durch seinen
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