Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
Gritehs verboten es Kindern, vor ihrem zehnten Lebensjahr Waffen zu tragen. Die Gefahr, das Bowbaq ihn traf, war sehr gering, doch das Argument würde nicht reichen, um den Riesen zu beruhigen. »Und wenn schon! Dann wäre das mein Fehler, nicht deiner! Ich wäre sogar stolz auf dich.«
»Vielleicht sollte er erst einmal mit einer Strohpuppe üben«, schlug Rey vor.
»Wann wird man schon von einer Puppe angegriffen?«, erwiderte Grigán. »Außerdem glaube ich kaum, dass man von einem Strohsack etwas lernen kann. Außer vielleicht, wie wild auf ihn einzuschlagen.«
»Manchmal hilft das. Wir könnten ihm meinen Züu-Umhang anziehen. Das würde Bowbaq sicher anspornen«, sagte Rey fröhlich.
»Er hätte Angst, dem Stroh wehzutun!«, setzte Léti nach.
»Heute haben es wohl alle auf mich abgesehen«, brummte der Riese, doch er verzieh seinen Freunden die harmlosen Sticheleien.
»Ich frage mich, was man in den Gedanken einer Strohpuppe lesen könnte«, sagte Rey. »Vermutlich die Wut darüber, dass sie keine Schläge austeilen kann.«
Alle lachten, außer Grigán, der ungeduldig darauf wartete, weiterzumachen. Doch sie wurden von Corenns und Yans Ankunft unterbrochen. Die Ratsfrau trat in die Mitte.
»Ich habe Euch etwas Wichtiges mitzuteilen«, verkündete sie. »Eine gute Nachricht.«
»Ihr wollt mit Yan den Bund schließen«, riet Rey.
»Nein. Aber er wird mein Lehrling.«
»Auf welchem Gebiet?«
»Magie.«
Das konnte nur ein Scherz sein. Rey stieß Bowbaq mit dem Ellbogen an und wandte sich ab, um sich wieder auf dem Heuhaufen niederzulassen. Die anderen folgten ihm nicht.
»Ich hatte schon so einen Verdacht«, sagte Grigán. »Die Armbrust mit der gerissenen Sehne auf Ji - das wart Ihr!«
»Ja.«
»Stimmt das, Corenn?«, fragte der Riese. »Du bist eine Magierin?«
»Ja … Aber das ist ein großes Wort. Sagen wir lieber, dass ich die meisten Prinzipien kenne, sie aber nur selten anwende.«
Die Erben hatten in den vergangenen Tagen so viel Seltsames erlebt, dass sie die Neuigkeit mit Gelassenheit aufnahmen. Ramgriths glaubten nicht an Magie, doch Grigán war auf seinen Reisen so manchem Magier begegnet. Er hatte sich schon längst an den Gedanken gewöhnt, und dass Corenn eine Magierin war und Yan Unterricht geben würde, war in seinen Augen ein glücklicher Zufall, der ihnen von Nutzen sein konnte.
Bowbaq erging es ganz anders. Magie gehörte zu den Dingen, die sein Volk für unhöflich hielt, für anstößig und gefährlich. Die Existenz von Magie wurde nicht angezweifelt, doch wie Götter, Dämonen und heilige Tiere wurde sie gleichermaßen geachtet und gefürchtet. Allerdings waren in den letzten Tagen schon so einige seiner Überzeugungen ins Wanken geraten - vielleicht irrten sich die Arkarier. Wenn Corenn Magie gebrauchte, konnte sie so schlimm nicht sein.
»Bowbaq kann Gedanken lesen, und Corenn ist eine Magierin. Auch ich habe Euch etwas mitzuteilen«, sagte Rey. »Ich habe ebenfalls eine besondere Gabe. Ich kann meine Nasenspitze mit der Zunge berühren.«
»Haltet Ihr Euch für besonders lustig?«, herrschte ihn Grigán an.
»Corenn«, fuhr Rey fort, ohne ihn zu beachten, »ich habe schon so viele Schwindler gesehen, dass ich einen Beweis brauche. Wenn Ihr mir eine Kostprobe Eures Könnens gebt, verspreche ich Euch, nichts mehr zu sagen. Zumindest nicht bis heute Abend.«
Mit einem leichten Lächeln nahm Corenn seine Hand in die ihre und legte eine Münze auf seine Handfläche. Einen Augenblick später schwebte das Geldstück in der Luft.
»Ich hole mir einen Knebel.« Rey verzog keine Miene.
Mein Wille wird stärker, dachte Corenn. Sie hatte ihn zu lange ruhen lassen, und jeder Gebrauch erschöpfte sie zutiefst. Doch obgleich sie in den vergangenen Tagen ihr magisches Talent nur dreimal gebraucht hatte, fiel es ihr bereits viel leichter. Sie nahm sich vor, den Rat, den sie Yan gab, selbst zu beherzigen und gemeinsam mit ihm zu üben.
Zum Wohle des Matriarchats hütete sie ihr Geheimnis nun schon so lange, dass es ihr eine große Erleichterung war, es endlich preiszugeben.
Yan und Léti hatten bisher geschwiegen. Sie beäugten sich verstohlen, wie zwei Fremde, die man einander gerade erst vorgestellt hatte.
Da alle auf eine Reaktion von ihr zu warten schienen, zwang Léti sich, etwas zu sagen. »Ich freue mich für dich, Yan. Sehr sogar.«
Ihr Gesichtsausdruck sagte das Gegenteil. Léti wusste schon lange von der Gabe ihrer Tante, und sie hatte eigentlich nichts gegen Magie
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