Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
gewohnt, Grigán in solchen Situationen zu vertrauen. Sie beobachteten die Szene schweigend, obwohl sie sich feige vorkamen. Yan beschloss, sich auf den Ersten zu stürzen, der seine Freundin anrührte, egal, was Grigán sagte.
Léti bemühte sich erneut, den Männern höflich zu verstehen zu geben, dass sie an ihnen vorbeiwollte, doch der Betrunkene äffte sie nur nach und rief seinem Kumpan etwas zu. Von dort, wo Léti stand, konnte sie ihre Freunde nicht sehen. Aber sie brauchte ihre Hilfe nicht. Vor kaum einer Dekade hatte sie einen Zü erstochen. Die Trunkenbolde machten ihr keine Angst.
Wenn sie mit Höflichkeit nicht weiterkam, dann eben mit Gewalt. Sie schob den Mann beiseite, nicht heftig, aber doch entschlossen genug, um an ihm vorbeizukönnen. Noch lächelte sie. Ihr Gesicht verfinsterte sich erst, als der Juneer nach ihrem Handgelenk griff. Instinktiv trat sie einen Schritt zurück und stellte ihm ein Bein. Der Mann fiel bäuchlings zu Boden und ließ sie los. Fester Stand. Wacher Geist.
Sie murmelte eine Entschuldigung und stieg über den Mann hinweg, die Hand am Griff ihres Schwerts. Die Betrunkenen lachten nun nicht mehr, sondern warfen ihr finstere Blicke nach. Yan und Bowbaq erhoben sich, um ihre Freundin zum Tisch zu begleiten. Beim Anblick des Riesen verging den Juneern jede Kampfeslust.
Jetzt erst steckte Grigán den Dolch weg, den er die ganze Zeit unter dem Tisch in der Hand gehalten hatte. Er war froh, ihn nicht gebraucht zu haben. »Gut gemacht. Ich hätte mit diesen Idioten nicht so viel Geduld gehabt.«
Léti dankte ihm mit einem Kopfnicken. Zum ersten Mal war Grigán ein Lob über die Lippen gekommen. Sie waren beide zu stolz, sich die Zuneigung zu zeigen, die in den vergangenen Tagen zwischen ihnen enstanden war.
Früh am nächsten Morgen begaben sich Corenn und Grigán zu Séhanes Palast, um die Königin um eine Audienz zu bitten. Der Krieger kannte die Stadt gut genug, um den Weg zum Schloss zu finden, aber sie konnten sich ohnehin nicht verlaufen. Die Türme des Schlosses waren von überall her zu sehen.
Séhanes Palast hieß bei den Bewohnern Junins nur das »Eroberte Schloss«. Es glich eher einer Festung als einem der Prachtbauten Lorelias. Das Schloss war schon seit Äonen nicht mehr erobert worden und hielt mittlerweile auch längeren Belagerungen stand. Der Name stammte noch aus der Zeit vor dem Ersten Abkommen der Fürstentümer und lebte im Volksmund fort. Damals hatte Junin unter ständigen Angriffen gelitten, und die Burg war mehrmals zerstört und wiederaufgebaut worden.
Die jetzigen Mauern waren noch nie gestürmt worden, und Corenn war voller Bewunderung für die Festungsanlage. Sie traten durch ein schweres, von zwei Wehrtürmen flankiertes Holztor, das glücklicherweise offen stand, und gelangten in den äußeren Hof. Er war ungefähr so groß wie der Platz vor dem Großen Haus von Kaul. Hier befanden sich die Unterkünfte der Wachsoldaten, die Ställe und Koppeln für die Pferde, die Werkstätten der königlichen Handwerker und die Wirtschaftsgebäude - eine kleine Stadt in der Stadt. Doch nur die Soldaten schliefen innerhalb der Festungsmauern, alle anderen Bediensteten der Königin waren außerhalb des Eroberten Schlosses untergebracht.
Sie waren gerade einmal zwanzig Schritte weit gekommen, als sich ihnen ein Soldat mit misstrauischer Miene in den Weg stellte. Wegen der Thronstreitigkeiten waren die Wachen noch argwöhnischer als sonst. Grigán fragte nach dem Kammerherrn. Der Wachsoldat führte sie zu einem der größten Gebäude und ließ sie nicht aus den Augen. Sie reihten sich in eine mehr als zehn Schritte lange Warteschlange ein. All diese Leute wollten bei der Königin vorsprechen oder ihr eine Nachricht überbringen. Séhane war bekannt dafür, sich um das Wohl ihrer Untertanen zu kümmern, und schien äußerst beliebt zu sein. Doch obgleich die Kammerherren jedes Gesuch sorgfältig prüften, gewährten sie nur wenigen eine Audienz. Die Königin brauche Ruhe, sagten sie. Sie sei damit beschäftigt, ein neues Abkommen mit den Fürsten auszuhandeln, und dieser oder jener Beamte werde sich des Gesuchs annehmen. Die Juneer verließen das Schloss mit enttäuschten Gesichtern. Sie wollten ihre Königin sehen.
Endlich waren Corenn und Grigán an der Reihe. Der Kammerherr rümpfte die Nase über diese Fremden, die sich in die Angelegenheiten des Königreichs einmischten, bat sie aber dennoch, ihr Anliegen vorzutragen.
»Wir würden gern mit Ihrer
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