Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
Schwert trägt, nicht gewohnt«, sagte Grigán. »Sie sind nicht so weltoffen wie in Lorelia. Vielleicht solltest du die Waffe für ein paar Tage ablegen.«
»Kommt nicht infrage. Sie werden sich eben daran gewöhnen müssen.«
»Ich glaube kaum, dass es sie vor den Kopf stößt«, sagte Rey mit einem schelmischen Grinsen. »Für sie bist du einfach eine Fremde mit etwas losen Sitten. Das bringt sie auf dumme Gedanken.«
Léti errötete bis in die Haarspitzen. Von nun an ignorierte sie das Winken der Flussschiffer. Einige riefen ihr etwas zu, das Grigán sich zu übersetzen weigerte.
Gegen Ende des fünften Dekants fuhr die Othenor in den See von Junin ein. Grigán war froh, dass sie die Hauptstadt noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichten. Während das Schiff langsam auf den Hafeneingang zuglitt, bekamen sie einen ersten Eindruck von der Schönheit der Stadt.
Die Landschaft hatte nichts von der trostlosen Gegend um Lorelia oder dem kargen Buschland im Süden Kauls. Junin lag inmitten von üppig grünen Hügeln. Hier gab es weder Blattbäume noch Lubilien, Sedasträucher oder Quillenbäume, wie sie in Lorelien zu finden waren. Die Kleinen Königreiche waren die Heimat von Krüppelkiefern, Fingerbäumen, Moälen, Himmelsschirmen, Grulen und Mondgräsern in so vielen unterschiedlichen Grüntönen, wie es Sterne am Himmel gab.
Zahlreiche zinnenbewehrte Türme hoben sich von dem farbenprächtigen Hintergrund ab, ein Beweis für den Reichtum und die Wehrhaftigkeit der Stadt. Die Fürsten waren zugleich Könige, und da Junin die Hauptstadt ihres Zusammenschlusses war, besaß hier jeder einen Palast. Schon vom See aus waren mehrere prächtige Bauten zu sehen, die dem Kleinen Palast in nichts nachstanden.
Da der Fluss nur träge dahinfloss, steuerte Yan das Boot ohne Schwierigkeiten in den Hafen. Langsam glitten sie zu einem Landesteg, an dem bereits mehrere Schiffe ähnlicher Größe festgemacht waren. Mit einer für sein Alter erstaunlichen Geschmeidigkeit sprang Grigán an Land. Mit wenigen Handgriffen zurrte er die Leinen fest, damit die anderen an Land gehen konnten. Als Nächstes ging Bowbaq von Bord.
Der Riese hatte das unbändige Bedürfnis, sich hinzuwerfen und mit beiden Händen in die Erde zu greifen, um sich zu vergewissern, dass er tatsächlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Wären sie an einem einsameren Ort gelandet, hätte er keine Scheu gekannt. Die sechs Tage auf hoher See hatten ihn nicht von seiner Angst vor dem Meer kuriert; er hatte nur gelernt, den Blick gen Himmel statt in die Untiefen des Meeres zu richten. Von allen freute er sich am meisten, dass die Überfahrt vorbei war.
Bald standen die Erben an Land. Nachdem Grigán Léti mehrere Tage lang einen festen Stand gepredigt hatte, kam es ihr seltsam vor, dass der Boden nun nicht mehr im Takt der Wellen schwankte.
Grigán ließ sich den Weg zum Hafenmeister erklären und ging mit Corenn davon, um die Gebühr für den Liegeplatz zu bezahlen. Wenn sie nicht auffallen wollten, mussten sie sich an die juneeischen Gesetze halten. Auf keinen Fall durften sie sich so verhalten wie in Lorelia, wo sie mittlerweile von den Züu, der Großen Gilde und den lorelischen Wachen gesucht wurden.
Yan ließ den Blick über die breiten, schnurgeraden Straßen, die soliden Steinhäuser, die ihn an Festungen erinnerten, und die zinnenbewehrten Türme der Königspaläste schweifen. Das war also Junin. Ein fremdes Land auf einem fremden Kontinent.
Es war ungewiss, ob sie hier Hilfe finden würden, oder auch nur einen sicheren Unterschlupf. Doch insgeheim warYan das einerlei. Sie waren zwar in einem anderen Land, doch sie unternahmen immer noch das gleiche Abenteuer, die gleiche Suche: Er, Léti, Corenn und ein paar Fremde, mit denen er sich in drei Dekaden enger angefreundet hatte, als er es sich je hätte träumen lassen.
Allerdings wurde dieser schöne Gedanke von bösen Erinnerungen überschattet. Léti, die über dem Abgrund hing, zum Beispiel. Yan bemühte sich, das Bild zu vergessen. Doch in der Stille der Nacht, jenem Augenblick, in dem der Geist klarer sieht, begriff er, dass ihre Reise nichts anderes als ein Wettrennen war. Ein Wettrennen gegen den Tod.
Es war schon zu spät am Abend, um noch bei Séhane vorzusprechen, zumal es keinen Grund gab, jetzt gleich zum Schloss zu gehen. Vermutlich hätten die Wachen sie ohnehin zum Teufel gejagt, wenn sie ihre zerlumpten Kleider sahen.
Corenn schlug vor, die erste Nacht in einer
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