Die Magier 02. Krieger der Dämmerung - Le Serment orphelin (Le Secret de Ji, Bd. 2)
befindet.«
»Aber genau weiß er es nicht?«
»Natürlich nicht! Die Pächter herrschen zwar über ihre eigene Insel, dürfen aber die anderen nicht betreten. Um zu Zarbone zu gelangen, müssen wir durch die Kontrollen der guorischen Söldner. Das Schöne Land ist besser bewacht als jeder andere Ort der bekannten Welt.«
»Hoffen wir, dass es besser bewacht ist als Séhanes Palast«, sagte Rey.
In diesem Moment sprang Bowbaq auf. Es war offensichtlich, dass sein Verhalten nichts mit ihrem Gespräch zu tun hatte. Der Riese schien zu lauschen, aber die anderen hörten nichts.
»Jemand spricht zu mir!«, flüsterte Bowbaq stirnrunzelnd. »Er übermittelt mir seine Gedanken. Ein Erjak!«
Sie liefen zur Reling und suchten den Horizont ab. Zwar war tatsächlich ein anderes Schiff in Sicht, doch es war mehrere Meilen entfernt.
»Kann man Gedanken über solch eine Entfernung schicken?«, fragte Léti verwundert.
»Nein«, sagte Bowbaq zerstreut, weil er sich auf die Stimme in seinem Kopf konzentrierte. »Das ist kein Mensch. Dieser Erjak ist ein Tier. Zum ersten Mal sucht ein Tier das Gespräch mit mir!«, sagte er glücklich.
Voller Vorfreude suchte er die schwarzen Wellen ab. Mittlerweile hatte er kaum noch Angst vor dem Meer. Nachdem er gegen einen Mog’lur gekämpft hatte, hatte der Gedanke zu ertrinken, viel von seinem Schrecken verloren.
»Was sagt es denn?«, fragte Yan, während alle versuchten, im Wasser etwas zu erkennen.
»Es sagt: Spiel«, antwortete Bowbaq gerührt. »Das ist ein Freundschaftsangebot. Ich will es sehen. Ich muss ihm antworten!«
»Dort drüben!«, rief Grigán, der die schärfsten Augen hatte. »Gyolendelfine.«
Eine Gruppe von vier Tieren folgte dem Segelschiff in etwa fünfzig Schritt Entfernung. Bowbaq lief zum Bug und beobachtete die Delfine, deren Verhalten von einer ebenso großen Intelligenz wie der seinen zeugte.
Er konzentrierte sich und drang in den Geist des vordersten Tieres ein. Der Delfin zeigte nicht die übliche Abwehrreaktion.
»Er versteht mich!«, rief Bowbaq mit Tränen in den Augen. »Er fragt, warum die Menschen nie antworten!«
Die Erben beäugten Bowbaq neidisch.
Für Bowbaq wäre es ein Kinderspiel, in den Tiefen Geist seines neuen Freundes einzudringen. Doch dann fiel ihm ein, dass sämtliche Wahrnehmungen der Unterwasserwelt auf ihn einstürmen würden, und er besann sich eines Besseren.
Die Delfine schwammen eine ganze Weile neben dem Schiff her. Doch als die Othenor ein anderes Schiff kreuzte, ging alles schief.
Bowbaq spürte die Harpune in seinen Körper eindringen, als wäre auf ihn und nicht auf den Delfin geschossen worden. Es war ein Gefühl, als wäre er doch in den Tiefen Geist des Tiers eingedrungen.
Er spürte den Schmerz des sterbenden Delfins, während die Besatzung des Walfängers ihn zu sich herzog, und die verzweifelten, verständnislosen Rufe seiner Artgenossen gellten ihm in den Ohren.
»Yan, kannst du uns näher heranbringen?«, fragte er mit zusammengekniffenen Augen.
Yan tat sogleich, wie geheißen. Was sein Freund auch vorhatte, er würde ihm dabei helfen.
»Das bringt doch nichts, Bowbaq«, rief Grigán, der einen Sturm am Horizont heraufziehen sah. »Die Männer machen doch nur ihre Arbeit.«
»Sie jagen also nicht einmal, um sich zu ernähren«, knurrte der Arkarier und geriet immer mehr in Rage. »Sie tun es nur für Geld!«
Als sich die Othenor dem Walfänger näherte, wurden die Besatzungsmitglieder unruhig. Mindestens zehn braun gebrannte Männer stellten sich mit ihren Waffen an der Reling auf. Der Walfänger änderte seinen Kurs und steuerte nun ebenfalls auf sie zu.
»Bei allen Göttern und ihren Huren!«, rief Rey, der in der Aufregung Lanas Anwesenheit vergaß. »Wollen die uns etwa entern? Piraten!«
»Wenn wir friedlich weitergefahren wären, hätten sie uns in Ruhe gelassen«, schimpfte Grigán und verschwand unter Deck, um sein Krummschwert zu holen.
Er brachte auch den Bogen und Bowbaqs Streitkolben mit, aber der Riese betrachtete die Waffe voller Abscheu.
»Danke, mein Freund. Du hattest recht: Es ist meine Pflicht, mich zu verteidigen. Aber nicht mit einer Waffe. Das ist nicht gerecht. Tiere haben auch keine Waffen. Ich werde kämpfen, aber unbewaffnet.«
»Wenn du mit bloßen Händen kämpfst und dein Gegner ein Schwert hat, nenne ich das auch nicht gerade gerecht!«
»Grigán, habt Ihr Euch schon mal die Größe seiner Fäuste angesehen?«, sagte Rey. »Für wen ist das ungerecht?«
Corenn
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