Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
Prophezeiungen verändert. Was wird aus den anderen? Usul beobachtet, spekuliert und entdeckt einige Gewissheiten. Doch auch diese werden bald zunichte gemacht, und so grübelt der Gott unablässig weiter, sucht nach dem Sinn und hat seine wahre Freude daran. Er ergreift für keine Seite Partei, denn ihn kümmert es nicht, wer den Kampf gewinnt. Hauptsache, sein Ausgang bleibt lange genug ungewiss.
Blickt er aber noch weiter in die Zukunft, sechzig oder achtzig Jahre, sieht Usul nur noch zwei Möglichkeiten. Unweigerlich wird der Lauf der Zeit die Zukunft in eine dieser beiden Richtungen lenken. So konzentriert sich der Gott auf die Einzelheiten, die Überraschungen und Ungewissheiten des Augenblicks. Er hofft, genügend Hinweise zu finden, um sein Wissen wiederzuerlangen. Selbst wenn ihn das zu einem weiteren Jahrhundert der Langeweile verdammt.
Schließlich steht auch sein eigenes Schicksal auf dem Spiel.
Zeit. Sie hatten viel Zeit verloren. Vielleicht zu viel.
Während vier Gladoren sie und Lana immer tiefer in Saats finsteren Palast hineinführten, dachte Corenn noch einmal über die Ereignisse der letzten Dekade nach. Die Reise durch die Länder des Ostens hatte länger gedauert als ihr Ritt durch Arkarien und das Große Kaiserreich. Acht Tage … Wie viele Tragödien mochten sich in diesen acht Tagen ereignet haben? Wie war es Grigán, Yan und Rey ergangen? Und Léti und Bowbaq? Wie stand es um die Heilige Stadt?
Die wallattischen Reiter, denen sie im Tal der Krieger begegnet waren, hatten noch am gleichen Abend in einem Lager mit rund hundert Männern Halt gemacht, die immer wieder kleinere Scharmützel mit den goronisch-lorelischen Truppen austrugen. Sie krümmten Corenn und Lana kein Haar, stellten sie jedoch unter strenge Bewachung und führten sie dann einem Mann vor, der Fremdsprachen etwas weniger ablehnend gegenüberstand. Der Ratsfrau war es gelungen, den Barbaren mit ihrem detaillierten Wissen über Saats Plan zu beeindrucken und ihn von der Notwendigkeit zu überzeugen, sie zum hohen Dyarchen zu bringen. Dennoch hatte es noch zwei weitere Tage gedauert, bis sie ein neuer Trupp weiter Richtung Süden eskortierte, zu Fuß, worüber sich Corenn sehr geärgert hatte. So hatten sie Saats Lager erst in der Abenddämmerung des achten Tages erreicht, vor weniger als einem Dekant - womöglich zu spät.
Corenn betrachtete die groben Mauern des Gebäudes. Würde sie es jemals von außen sehen? Kurz nach Mit-Tag hatten die Wallatten ihren Gefangenen die Augen verbunden, obwohl sie noch lange nicht in Sichtweite des Lagers gewesen waren. Zum Glück hatten die Barbaren darauf verzichtet, die beiden Frauen zu fesseln, denn Corenn hatte ihren Rang absichtlich verschleiert, um eine schlechte Behandlung zu vermeiden. So hatten sie nichts vom geheimen Feldlager des Magiers gesehen. Als sie blind zu Saats Palast geführt wurden, war ihr allerdings eine gespenstische Stille aufgefallen - erstaunlich für einen Ort, an dem mehrere zehntausend Krieger versammelt waren.
Plötzlich vernahmen sie von weither Stimmen, und Corenn spürte, wie ihr der kalte Schweiß ausbrach. An diesem Gespräch musste auch Saat beteiligt sein. Unwillkürlich versuchte sie, seine Stimme auszumachen, obwohl sie noch gar nicht verstehen konnte, was dort gesprochen wurde. Doch je aufmerksamer sie den Gesprächsfetzen lauschte, desto größer wurde ihre Angst, und so zwang sie sich, nicht länger darauf zu achten und sich innerlich auf die bevorstehende Begegnung mit ihrem Todfeind vorzubereiten. Es war ihre letzte Chance, die Oberen Königreiche zu retten.
Schließlich blieben die Gladoren vor zwei Wachposten stehen, die eine große Doppeltür flankierten. Noch bevor sich die Garde rühren konnte, schwang die Tür weit auf, ohne dass jemand die Klinke heruntergedrückt hätte.
»Nur herein«, sagte eine Stimme, die von einer Sturmhaube gedämpft wurde. »Habt keine Angst. Wir haben Euch erwartet.«
Die Gladoren stießen Lana und Corenn in den Saal. Die Tür fiel mit dem lauten Klicken eines Schlosses hinter ihnen zu.
Wie durch Magie.
Die beiden kleinen Segler und der Schoner der ramgrithischen Rebellen hatten dem kläglichen Rest der Roten Armada drei Tage lang folgen können, doch nun war ihnen Alebs Schiff, das trotz seiner Schäden immer noch schnell und wendig war, endgültig entwischt. Zunehmend mutlos wechselten sich die schwarzen Wölfe im Ausguck ab, ohne die blutroten Segel auf den Weiten des Mittenmeers
Weitere Kostenlose Bücher