Die Magier 04. Kinder der Ewigkeit - Le Doyen Eternel
Grigán in das Schweigen hinein.
Mehr musste er nicht sagen. Nach allem, was sie über Saat wussten, schien es nicht zu dem Goroner zu passen, aus gekränktem Stolz beinahe hundert Menschen ermorden zu lassen. Der Ökonom war ein angesehener Bürger des Großen Reichs gewesen und ein Intrigant am Kaiserhof. Er ließ sich von Vernunft leiten, nicht von niederen Gefühlen.
»Ein Jammer, dass Ihr unsere Vorfahren nach ihrer Rückkehr aus der Unterwelt nicht befragt habt!«, sagte Léti mindestens zum dritten Mal.
Nol schien seine Gründe dafür nicht wiederholen zu wollen. Seltsamerweise gehörte Neugier nicht zu seinen Eigenschaften. Als die Weisen aus der Unterwelt zurückgekehrt waren, hatten die Kinder geweint, und Nol hatte sofort gehandelt. Er hatte die Pforte geöffnet, und die Gesandten hatten das Tal verlassen.
»Saat hat vor irgendetwas Angst«, folgerte Rey. »Er hat Angst vor uns. Aber, bei allen Göttern und ihren Hur… äh … bei allen Göttern, warum nur?«
»In Maz Achems Tagebuch steht etwas dazu«, sagte Yan. »An einer Stelle ist von den Erben die Rede.«
»Die Passage ist viel zu vage. Selbst meine Tante hat sie nicht verstanden«, entgegnete Léti.
»Lesen wir sie noch einmal«, schlug Corenn vor. »Nach allem, was wir in der Zwischenzeit erfahren haben, verstehen wir sie vielleicht besser.«
Lana holte die Seiten hervor, auf die sie die Worte ihres Urgroßvaters übertragen hatte, denn das Tagebuch selbst hatte sie gemäß dem Wunsch ihres Vaters verbrannt. Dann las sie den Abschnitt laut vor:
Auch Reyan von Kercyan, Moboq von Arkarien und Rafa Derkel bekamen Kinder. Wie kann man das Glück in Worte fassen, das uns nach Jahren der Angst bei der Nachricht jeder dieser Geburten überfiel? Der Fortbestand unserer Familien war gesichert, und der Menschheit bot sich nun doch die Gelegenheit, eines Tages das Zeitalter von Ys zu erreichen. Nols Harmonie. Und sei es erst in ferner Zukunft.
Wären Vanamel und Pal’b’ree nicht ins Karu hinabgestiegen und wären sie den Undinen nicht begegnet, hätten wir nichts von unserer Verantwortung erfahren. Vielleicht wäre das besser gewesen, denn das Geheimnis des Jal’dara lastete ohnehin schon schwer genug auf uns. Doch da wir nun einmal davon wussten, frohlockten wir angesichts der Geburt einer neuen Generation.
»Ich verstehe das immer noch nicht«, sagte Bowbaq in der Hoffnung, einer der anderen würde es ihm erklären.
Doch niemand kam ihm zu Hilfe. Alle Blicke waren auf Nol gerichtet, dessen Gesichtsausdruck sich plötzlich verändert hatte. Selbst sein ewiges Lächeln war erloschen. Der Wächter sah seine Besucher mit ganz neuen Augen an: erstaunt und mit leiser Bewunderung. »Eure Vorfahren haben die Undinen aufgesucht«, sagte er.
Dann verstummte er wieder. Der Lehrende antwortete nur auf direkte Fragen, selbst wenn ihn etwas brennend zu interessieren schien - so wie jetzt.
»Wer sind die Undinen?«, fragte Léti unwirsch.
»Sie sind Geschöpfe der Unterwelt. Sie kennen die Zukunft und sind im Besitz der Wahrheit.«
»Eine Art lokaler Usul?«, witzelte Rey.
»Ihre Macht ist sehr viel größer«, sagte Nol ernst. »Usul ist der Wissende. Die Undinen sind die Hüterinnen der unumstößlichen Wahrheiten.«
»Der Unterschied leuchtet mir nicht ganz ein«, brummte Grigán. »Könntet Ihr Euch vielleicht etwas klarer ausdrücken?«
»Die Zukunft, die Usul und andere hellsichtige Götter vorhersagen, kann auf verschiedene Art verändert werden, zum Beispiel, wenn sie einem Sterblichen enthüllt wird. Eine unumstößliche Wahrheit ist, wie der Name schon sagt, unumstößlich. Jedes Ereignis, das die Undinen ankündigen, wird geschehen, ganz gleich, was passiert.«
»Und die Undinen haben unseren Vorfahren eine dieser unumstößlichen Wahrheiten enthüllt«, sagte Corenn nachdenklich. »Leider wissen wir nicht mehr, als dass es um unsere Geburt und das Zeitalter von Ys geht.«
Yan empfand tiefes Mitgefühl mit den Weisen. Er wusste, was es hieß, unter Usuls übermenschlichem Wissen zu leiden. Welch schreckliches Geheimnis hatten die Vorfahren seiner Freunde mit ins Grab genommen?
Er hatte immer geglaubt, dass es nur um das Geheimnis der Insel Ji ging. Doch die Weisen hatten noch eine ganz andere Bürde zu tragen gehabt. Und Saat hatte beide für seine Zwecke genutzt.
»Versteht Ihr die Anspielung auf die Harmonie?«, fragte Lana Nol voller Hoffnung.
»Das liegt leider nicht in meiner Macht. Es scheint, als wäre Euer Leben auf die
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