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Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk

Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk

Titel: Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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dieser Welt schon so lange zurück, dass der See sie nicht mehr erkannte? Hatte es möglicherweise zuvor nie eine Anrufung gegeben?
    Darüber dachte sie zunächst eine Weile nach, ehe sie sich wieder auf ihre Aufgabe konzentrierte. Sie hatte einen zu weiten Weg zurückgelegt, um jetzt einfach umzukehren, was sie sowieso nicht getan hätte. Ihre Entscheidung hatte sie längst getroffen, und daran würde sich auch nichts ändern. Es ging nicht um Tapferkeit oder Tollkühnheit, sondern hier lag ihre einzige Chance, den Ausweg aus ihrem Gefängnis zu finden. Also brachte sie ihre ganze Kraft auf, um ihre Konzentration aufrechtzuerhalten. Ihr Instinkt riet ihr, ihr Unternehmen abzubrechen. Die Luft war voller Geräusche und Gefühle, die an ihrer Entschlossenheit nagten und ihren Mut schwächten. Das Hadeshorn brodelte wie ein Vulkankrater kurz vorm Ausbruch, und es toste mit jedem neuen Wort und jeder neuen Geste von ihr schlimmer. Ihre Magie, begriff sie, war hier verflucht und rührte Ströme auf, die direkt in die Unterwelt führten, sie wirkte hier so zerstörerisch wie Feuer bei Pergament. Dennoch fuhr sie unerbittlich und unnachgiebig fort, hart wie der Stein, auf dem sie stand.
    Dann erhoben sich die Schatten in weiten Spiralen, ihre transparenten Formen verbunden durch das Schimmern, welches von ihren gefangenen Seelen ausstrahlte. Wie Sternschnuppen schössen sie aus dem Wasser in die Luft, wie helle Blitze am nächtlichen Firmament. Sie krümmten sich und jammerten Mitleid erregend, sie machten dem Hohn ihrer Gefangenschaft Luft, und ihr Zorn glich dem, den Grianne verspürte. Die Schatten flogen umher wie Funken, die von einem Feuer aufsteigen, von der Hitze explosionsartig freigesetzt. Doch dort, wo sie am Ufer stand, spürte sie eine durchdringende Kälte.
    Wo war Walker? Wo Allanon? Wo war die Hilfe, die sie so dringend brauchte?
    Sie ignorierte die kalte Luft und die feuchte Gischt, das schreckliche Jammern und die schleichende Angst. Sie stählte sich, wie man es ihr in dunklen Zeiten beigebracht hatte, hüllte sich in ihre Magie und ihre Entschlossenheit, und sie kämpfte um die Vorherrschaft über den See und seine Bewohner. Die Tür zur Welt der Toten hatte sie aufgestoßen, um Antworten auf ihre Fragen zu erhalten, und ehe sie die nicht bekommen hätte, würde sie nicht wieder gehen.
    Ihre Suche endete, als ihre Kräfte fast erschöpft waren. Der Schatten eines Druiden brandete aus dem brodelnden Wasser hervor wie ein Ungeheuer, riesig und bedrohlich, und er verscheuchte niedere Schatten wie Krill, von dem er sich ernähren könnte. Eine dunkle Robe bauschte sich auf, deren Säume ausgefranst und zerrissen waren, und schaute man in die Kapuze, sah man ein tiefes Loch ohne Boden. Das grünliche Licht des Sees strahlte durch die Risse in der leeren Form und erzeugte verschlungene Muster, die eigentümliche Schatten warfen.
    Entsetzt trat Grianne Ohmsford zurück.
    Es ist zu groß! Zu massiv!
    Der Schatten wirbelte lautlos zu ihr herum und zog alles Licht auf sich, wodurch die kleineren Schatten erloschen. In der Kapuze loderten rote Augen auf, die sie erzürnt betrachteten. Sie spürte, wie er sie abschätzte. Dabei kam er näher, ein Moloch, der sie zermalmen wollte. So mächtig sie auch war, so erfahren im Umgang mit Magie, in seiner Gegenwart wirkte sie wie ein Zwerg. Sie konnte nicht erkennen, wer er war. Bestimmt nicht Walker. Mit seinem Schatten hatte sie schon häufig gesprochen, sie wusste, wie er sich anfühlte, wenn er erschien. Allanon, vielleicht. Ja, Allanon war von allen der Dunkelste.
    Aber so dunkel?
    Sie wartete, während der Schatten über den brodelnden See zu ihr kam und dabei beständig an Größe zunahm. Er gab ihr keinen Hinweis darauf, wer er war, und er sprach auch kein einziges Wort. Der Schatten näherte sich ihr einfach rätselhaft, einschüchternd und stellte ihre Entschlossenheit auf die Probe. Wie versteinert stand sie und konnte den Blick nicht von ihm wenden.
    Als er so nah war, dass er gewissermaßen direkt vor ihr in den Himmel ragte, hielt er an. Er schwebte über dem Hadeshorn. Seine dunkle Gestalt war durchlöchert und zerrissen. Grianne senkte die Arme, langsam und vorsichtig, und wandte den Blick nicht von den roten Kugeln ab, die in der ansonsten schwarzen Kapuze des Schattens brannten.
    - Kennst du mich, Straken -
    Die Stimme war so leer und kalt wie der Tod, der diesem Schatten das Leben gestohlen hatte. Plötzlich wurde ihr flau im Magen, als sie begriff.

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