Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
Feindseligkeit, doch empfand sie eine besondere Antipathie bei ihnen, die ihr persönlich galt. Den Grund dafür konnte sie so ohne weiteres nicht ausmachen. Die Toten kannten sie weder, noch konnten sie irgendeinen bestimmten Groll hegen, der ihre Haltung erklären würde. Trotzdem war jeder Irrtum ausgeschlossen. Sie fühlte, wie sie nach ihr stocherten, mit kleinen Stacheln, die weniger stachen als vielmehr kratzten. Die Schrammen enthielten Verachtung und Enttäuschung; auch offene Abneigung. Irgendwie verärgerte ihre Anwesenheit diese Schatten, aber sie konnte den Grund dafür nicht erkennen. Schatten waren schwierig zu verstehen, denn ihre Emotionen hatten keine Verbindung zum Physischen und ließen sich daher nicht leicht deuten.
Sie dachte daran, sie mit ihrer Magie zu verscheuchen, damit sie Raum zum Atmen hatte. Allerdings konnte ihre Magie in der Verfemung ungeahnte Folgen haben, und sie wollte sich nicht die Chance verbauen, mit den Schatten der Druiden zu sprechen. Um sie zu rufen, war sie hergekommen, und davon durfte sie sich nicht abbringen lassen. Diese niederen Schatten waren unangenehm, aber auszuhalten.
Der Weg zur Talsohle kam ihr endlos vor. Die Schatten rieben an ihren Nerven wie Sandpapier. Ihr Wispern und ihre eisigen Berührungen machten sie nervös. Sie spürte, wie sich ihr altes Ich in Reaktion darauf regte, wie der Drang aufkam, sie wie trockenes Laub zu zermalmen, das Verlangen, sie unter ihren Stiefelsohlen zu zertreten. Das hätte sie früher einmal getan, und zwar ohne ein zweites Mal darüber nachzudenken. Doch jetzt war sie nicht mehr die Ilse-Hexe, und nichts würde sie wieder dazu machen.
Sie blickte zurück zu Weka Dart. Er saß mit gekreuzten Beinen oben auf dem Berg, hielt sich die Ohren zu und biss die Zähne zusammen. Er wartete, aber es war nicht leicht für ihn.
Als sie endlich den Rand des Sees erreichte, versammelten sich die Schatten um sie und verbrannten sie wie gefrorene Seidenfetzen mit der Kälte des Todes. Das Klagen war so durchdringend, dass sie nichts anderes mehr hören konnte, nicht einmal das Knirschen ihrer Schritte auf dem lockeren Stein. Die Schatten drängten von allen Seiten herbei, und noch immer nahm ihre Zahl zu, bis Grianne vollkommen eingehüllt war. Sie wurde erstickt, zur Strafe, weil sie die Warnung in den Wind geschlagen hatte. Wenn sie es nicht bald schaffte, sich von ihnen zu befreien, würde sie überwältigt werden.
Sie betrachtete kurz das ruhige Wasser des Sees, die Dampfsäulen und die Nebelfinger, die aus der Unterwelt aufstiegen. Das Wasser durfte sie nicht berühren. In ihrer eigenen Welt bedeutete das den Tod für lebende Dinge, wenngleich Druiden es überleben konnten. Hier waren möglicherweise selbst Druiden bedroht. Nachdem sie ihre Gedanken gesammelt und all ihre Entschlossenheit aufgeboten hatte, hob sie die Arme und begann mit der winkenden Bewegung, die die toten Druiden rufen würde. Als sich das Wasser des Sees in Reaktion darauf rührte, sprach sie die erforderlichen Worte. Langsam fing das Wasser zu brodeln an, die Dampfsäulen verwandelten sich in Geysire, und der See stöhnte wie ein Riese, der aus dem Schlaf erwacht. Die anwesenden Schatten wichen zurück, nahmen ihr Klagen und ihre Kälte mit sich und hinterließen toten Raum und Stille.
Nachdem sie diese Störenfriede losgeworden war, setzte Grianne ihre ganze Kraft ein. Mit ihren Fähigkeiten und ihrer Erfahrung wirkte sie auf dieses Hadeshorn einer anderen Welt ein und manipulierte es wie seinen Zwilling in den Vier Ländern; sie rief die Schatten, die ihr dienen würden, lockte sie aus der Tiefe an die Oberfläche und zog sie an mit ihrem Ruf. Der See wogte heftig, das grünliche Wasser wurde dunkel und bedrohlich. Wasserhosen erhoben sich, wütend, brausend und gewaltig. Das Gewässer zischte und geiferte wie eine Giftschlange.
Die Kehle schnürte sich ihr zu, und ihr Mund wurde trocken. Irgendetwas stimmte nicht. Sie spürte Unmut in dem See. Er leistete Widerstand. So sollte es eigentlich nicht sein. Wenn der Durchlass zur Unterwelt auf die richtige Weise geöffnet wurde, senkten sich die Barrieren, damit eine Verbindung möglich wurde. Die Schatten strebten danach; es war für sie die einzige Chance, kurz das wiederzuerlangen, was sie verloren hatten. Der See, der ihnen diese Möglichkeit bot, hatte keinen Grund, sich zu beschweren. Dennoch tat er das. Es ging deutlich über leichte Verstimmung hinaus; der See war erzürnt.
Lag die letzte Anrufung in
Weitere Kostenlose Bücher