Die Magier von Shannara 1 - Das verbannte Volk
doch der Zwerg schien ihn kaum zu bemerken. Er stampfte mit dem Fuß auf. »Natternpack! Verräterische Schlangen! Kermadec hatte Recht! Sie hätte sich von diesem Haufen schon lange befreien sollen, dann wäre all das nicht geschehen!«
Der König vom Silberfluss fuhr mit der Hand vor dem Gesicht des Zwergs entlang, und dieser seufzte tief und wurde still. »So einfach liegen die Dinge nicht, Tagwen. Denn in Wirklichkeit tragen auch jene die Verantwortung, die andere Ziele verfolgen. Von allen, die die Ard Rhys vernichten wollten, stellt jedoch einer die größte Gefahr dar, den die Übrigen noch nicht einmal erkannt haben. Dieser lenkt den Rest wie ein Puppenspieler seine Marionetten, er zieht die Fäden und steuert ihr Handeln. Räder in Rädern, Geheimnisse, die keiner kennt. Die Gefahr ist weitaus größer, als sie erscheint, und sie bedroht längst nicht nur das Leben der Ard Rhys. Dennoch ist sie der Schlüssel, um das Gleichgewicht wieder herzustellen, um alles wieder zu richten. Sie muss in die Vier Länder zurückgebracht werden, damit die richtigen Dinge getan werden können.« Er blickte Penderrin an. »Du bist der Einzige, der dazu in der Lage ist.«
Pen seufzte und dachte an gestern, als er darüber gegrübelt hatte, wie er sich die Zeit in Patch Run bis zur Rückkehr seiner Eltern am besten vertreiben könne. Er hatte sich nach einem Abenteuer gesehnt, wäre zu gern mit ihnen in den Wolfsktaag gereist, um an ihrem Leben als Expeditionsführer teilzunehmen. Jetzt bekam er seine eigene Expedition, eine, die weitaus gefährlicher zu werden drohte als die ihre. Wie rasch sich die Dinge änderten.
»Was soll ich tun?«, fragte er.
Der König vom Silberfluss stieg die Stufen zur Pilotenkanzel hinauf, nicht in dem müden Gang, sondern mit mühelosen, gleitenden Schritten. Er legte dem Jungen eine der knorrigen Hände auf die Schulter. »Zunächst musst du die Suche nach deinen Eltern beenden; sie können dir nicht helfen. Wären sie dazu in der Lage, hätte ich mich zunächst an sie gewandt. Ich werde sie allerdings auf jeden Fall vor den Gefahren warnen, die von euren Feinden drohen. Aber die Zeit deiner Eltern ist vorüber, Penderrin, nun ist deine Zeit gekommen. Du musst die Suche nach deiner Tante ohne sie aufnehmen, und zwar sofort.«
»Ich werde ihn begleiten«, verkündete Tagwen tapfer. »Die Ard Rhys zu finden ist auch meine Aufgabe.« Der König vom Silberfluss blickte ihn abschätzend an und nickte schließlich. »Du wirst ihm ein guter und treuer Gefährte sein, Tagwen«, sagte er und wandte sich wieder Pen zu. »Solche Gefährten werden gebraucht. Finde sie, wo immer du kannst, doch wähle sie mit Bedacht.«
Er beugte sich vor, senkte die dünne alte Stimme und flüsterte: »Höre mir aufmerksam zu. Gegen die Ard Rhys wurde ein Trunk eingesetzt, eine Magie von großer Macht. Dieser Trunk heißt flüssige Nacht. Dadurch wurde deine Tante an einem anderen Ort eingesperrt, an einem, den man mit gewöhnlichen Mitteln nicht erreichen kann. Um diese Magie zu entkräften, wird ein Talisman gebraucht. Bei diesem Talisman handelt es sich um einen Dunkelstab. Das ist ein Zauberstab, der von Hand aus dem Ast eines Baumes namens Tanequil gefertigt werden muss. Der Tanequil hat ein Bewusstsein; er ist ein lebendes, atmendes Wesen. Einen seiner Äste gibt er nur her, wenn man ihn von der Notwendigkeit überzeugt. Er muss es freiwillig tun. Wenn man den Ast mit Gewalt nimmt, wird die Magie zerstört, die ihm innewohnt. Dazu muss jemand mit dem Tanequil in einer Sprache reden, die er versteht. Ihm muss erklärt werden, aus welchem Grund der Ast so wichtig ist. Penderrin, diese Fähigkeit besitzt du, diese Gabe, mit der du geboren wurdest.«
Penderrin war sprachlos. Da wurde ihm nun gesagt, seine Gabe, die er stets als nutzlos abgetan hatte, sei plötzlich sein wertvollster Besitz. Er konnte es kaum glauben, aber die Worte des alten Mannes klangen so eindringlich, und sie konnte er nicht so einfach von der Hand weisen.
»Woher werde ich wissen, was ich tun muss?«, erkundigte er sich. Zwar war er sich noch nicht einmal sicher, ob er wirklich aufbrechen würde - wahrscheinlich eher nicht -, dennoch wollte er wissen, was er zu tun hatte. »Welche Sprache muss ich sprechen, und wie mache ich den Dunkelstab aus dem Ast?«
Der König vom Silberfluss lächelte. »Das kann ich dir nicht sagen. Niemand ist dazu in der Lage. Aber du wirst es erfahren, Penderrin. Wenn die richtige Zeit gekommen ist, wirst du es
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