Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane
schuften, denn gerade Shadeas unvorhersagbare Reaktionen stellten den Ansporn dar, den sie brauchten. Ein wenig Ungewissheit und ein paar Lektionen waren starke Anreize.
Sie übte keine Repressalien gegen diejenigen aus, die sie enttäuschten, nein, dazu war sie zu geschickt. Ihr Amt nutzte sie nicht, um in aller Offenheit Strafen auszusprechen. Sie hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass man Strafen auf subtilere Weise verhängen musste. Ein paar wohlgewählte Exempel hingegen stellten alles klar. Die hatte sie schon bald statuiert, innerhalb der ersten Tage, nachdem sie die Position der Ard Rhys eingenommen hatte, und damit verlieh sie ihren Erwartungen Ausdruck. Sie suchte sich dazu zwei jüngere Druiden aus, die keinen großen Rückhalt im Orden hatten und die man nicht besonders vermissen würde. Die beiden schickte sie nach Hause, ohne ihnen auch nur den leisesten Hinweis zu geben, wobei oder in welcher Weise sie versagt hatten. Sie mochten sich um Wiederaufnahme bemühen, riet sie ihnen, nachdem sie ihre Pflichtversäumnisse erkannt hätten. Das war eine gerechte Auslegung der strengen Disziplin des Ordens, und niemand konnte ihr vorwerfen, wie sie die Dinge handhabte.
Dennoch war die Botschaft unmissverständlich. Wenn jemand versagte, ob er es nun einsah oder nicht, zahlte er den Preis. Am besten vermied man solche Konsequenzen durch harte Arbeit. Natürlich ließen sich die mächtigeren Druiden nicht so leicht einschüchtern. Ihre Entlassung würde eben genau jene Art von Konflikten nach sich ziehen, die sie gern vermeiden wollte. Trotzdem war sie entschlossen, alle auf Linie zu bringen, damit man in Paranor ihre Führerschaft und ihre Herrschaft anerkannte. Niemand musste dazu öffentlich seine Loyalität zur Schau stellen, Shadea wollte lediglich sicher sein, dass der gesamte Orden eines begriff: Sie war die Ard Rhys, und zwar nicht nur dem Titel nach. Deshalb fand nun ein geheimes Treffen mit dem Mächtigsten jener anderen Druiden statt, deren Unterstützung sie brauchte. Wenn Gerand Cera sich einverstanden erklärte, ihr in aller Öffentlichkeit den Rücken zu stärken, wenn sie seine Hilfe für ihre Bemühungen gewinnen konnte, dann würden die anderen leichter zu überzeugen sein. Leider hasste Cera sie fast genauso sehr, wie er Grianne Ohmsford gehasst hatte. Wollte sie also Erfolg bei ihren Bestrebungen haben, musste sie zunächst seine Einstellung ihr gegenüber ändern.
Am Eingang der Rundhalle, in der sich mehrere Gänge wie in einer Radnabe trafen, blieb sie stehen. Licht schien durch die schmalen Schlitze oben in den runden Wänden auf die Steinblöcke und erhellte die einzige Treppe, die zum westlichen Wachturm und seinen Wehrgängen hinaufführte. Diesen entlegenen Ort hatte sie ausgesucht, um Ceras Entschlossenheit zu prüfen. Wenn er sich fürchtete, sich hier mit ihr allein und ohne den Schutz seiner Anhänger zu treffen, war er für sie als Verbündeter nutzlos. Erschien er jedoch, würde diese Tatsache sie in ihrem Glauben bestärken, dass er dem Zweck dienen könnte, den sie ihm zugedacht hatte. Sie brauchte dringend einen neuen Verbündeten. Terek Molt war tot, Iridia Eleri hatte Paranor verlassen, Traunt Rowan und Pyson Wence zeigten erste Anzeichen des Wankelmuts. Obwohl die beiden Letzteren ihr weiterhin Gehorsam zeigten, mangelte es ihnen an dem Respekt und der Angst vor ihr, die sie von dem Zwerg und der Zauberin gewöhnt gewesen war. Über Iridia war sie sehr erbost, weil sie nach dem Tod des geliebten Ähren Elessedil einfach fortgegangen war, aber daran konnte Shadea nichts ändern. Eine Suche nach Iridia würde Zeit und Mittel verschlingen. Schlimmer, sie könnte ihr als Schwäche ausgelegt werden. Es war also besser, sich später mit ihr zu befassen.
Flüchtig dachte sie an Traunt Rowan, der inzwischen tief im Ostland sein sollte und Bek Ohmsford und seine Frau gefunden haben müsste. Wenn es ihm gelang, die zwei nach Paranor zu bringen, hätte sie einen Ansatz bei der Suche nach dem Jungen und seinen Gefährten, sollte das Undenkbare geschehen und Aphasia Wye scheitern. Damit hätte sie auch ein Mittel, um Grianne Ohmsfords Verbannung in die Verfemung, wo die frühere Ard Rhys keinen Schaden anrichten konnte, unumkehrbar zu machen. Die Magie ihres Bruders war ihr dabei von unschätzbarem Nutzen. Natürlich barg es Gefahren, ihn zu diesem Zweck einzusetzen, aber dieses Risiko musste sie wohl eingehen. Wenn sie mit ihm fertig wäre, wenn sie den Jungen gefunden und sich
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