Die Magier von Shannara 2 - Der Baum der Talismane
küsste ihn auf den Mund. »Los geht's.«
Sie traten an die Tür und lauschten kurz. Die Gnomenjäger, die zu ihrer Bewachung abgestellt waren, standen weiterhin auf der anderen Gangseite, wie schon seit drei Tagen, und sie waren gelangweilt. Es würde keine große Mühe bedeuten, sich an ihnen vorbeizuschleichen.
Bek sah seine Frau an. »Bereit?«
Sie nickte und zog ihre Kapuze über den Kopf. Er tat das Gleiche, öffnete die Tür und ging hinaus. Schon wirkte er die Magie des Wunschliedes, ein leises Summen, das gerade bis zu den Ohren der Wache vordrang. Es flüsterte ihnen bestimmte Bilder in die Gedanken. Es erklärte ihnen, die verhüllten Gestalten, die das Zimmer verließen, seien Druiden, leicht erkennbar an den Roben, und sie brauchten ihnen keine Aufmerksamkeit zu widmen. Sie könnten ruhig den Blick abwenden.
Als die Wachen wieder nach vorn schauten, war der Gang natürlich wieder leer.
Bek und Rue eilten zu der Treppe, die hinunter zur kalten Kammer führte, und stiegen rasch hinab, bevor sie gesehen werden konnten. Unterwegs hatten sie das Glück gehabt, keinem einzigen Druiden zu begegnen. Solange die Gnomenjäger vor ihrem Schlafgemach nicht auf die Idee kamen, dass man sie getäuscht hatte, standen ihre Chancen gut, ihr Ziel unbemerkt zu erreichen.
Sie glitten verstohlen und lautlos wie Füchse auf der Jagd durch die Schatten und die beleuchteten Stellen. Die Sache war gefährlich, das war ihnen bewusst. Falls man sie erkannte, würde ihr Doppelspiel auffliegen, und sie würden keine Gelegenheit mehr bekommen, Pens Aufenthaltsort mithilfe der Druidenmagie herauszufinden. Schlimmer noch, vermutlich müssten sie sich die Flucht aus Paranor erkämpfen, und Bek bezweifelte, ob ihnen das gelingen würde. Es war eine Sache, damals die Reise an Bord der
Jerle Shannara
überstanden zu haben, als sie noch jung gewesen waren. Dagegen war es eine ganz andere, nach zwanzig Jahren, in denen sie keine ernsthafte Auseinandersetzung ausgetragen hatten, wieder kämpfen zu müssen. Die gegenwärtige Situation bot sich nicht gerade an, um herauszufinden, ob die Magie des Wunschliedes sie vor der gefährlichen und äußerst erfahrenen Shadea a'Ru schützen konnte. Kurz gesagt: Am besten ließen sie sich nicht erwischen. Unten an der Treppe blieben sie stehen, und Bek spähte um die Ecke in den Gang. Nichts rührte sich. Dieses Stockwerk wirkte verlassen. Hier gab es keine Schlafräume, doch ein Stück weiter befand sich das Treppenhaus des Nordturms, in dem die Ard Rhys ihre Gemächer hatte. Dort würde sich Shadea a'Ru aufhalten. Einen Moment später waren sie in dem Gang zur kalten Kammer angelangt. Am meisten fürchteten sie sich davor, dass sich bereits jemand in dem Raum aufhalten könnte. Dann wäre es ihnen nicht nur unmöglich, ihren Plan durchzuführen, sondern sie müssten außerdem ihre Anwesenheit dort ohne Begleitung und ohne Einladung erklären. Daraus würde sich eine komplizierte Situation ergeben. Im besten Falle würde sie die Flucht aus dem Keep nach sich ziehen. Doch sie hatten Glück. Als sie die Tür öffneten, fanden sie die kalte Kammer leer vor. Rue suchte noch einmal den Gang ab und versicherte sich, dass niemand sie gesehen hatte, dann nickte sie Bek zu, er solle die Tür schließen. Sie standen in der Stille, die kühle Luft drang sogar durch den schweren Stoff der Druidenroben. Rue zitterte. Bek überprüfte den Raum, schaute in die Schatten und die Dunkelheit. Weder Kerzen noch Fackeln brannten, und Bek würde es auch nicht riskieren, Licht zu machen. Doch die hohen Fenster ließen den Schein von Mond und Sternen ein, der sich auf dem Scrye-Wasser spiegelte. Bek würde genug sehen können, um seine Arbeit zu erledigen.
Der Plan war nicht sehr kompliziert und verlangte nicht viel Zeit. Bek hatte Pen im Charnalgebirge gespürt, doch hatte er nicht genug Zeit gehabt, um die genaue Position seines Sohnes festzustellen. Jetzt, allein und ungestört, würde er die Magie des Wassers benutzen, um Pens exakten Aufenthaltsort herauszufinden. Anschließend würde er mit Rue zur
Schnell und Sicher
schleichen und zu Pen aufbrechen. Die Druiden würden vielleicht bald entdecken, was passiert war, aber ihre Luftschiffe konnten mit der
Schnell und Sicher
nicht mithalten.
Rue stand Wache an der Tür, und Bek ging zum Becken und betrachtete das Scrye-Wasser und die Karte der Vier Länder auf dem Boden des Beckens. Das Wasser war ruhig und glatt bis auf die Stelle, wo die schwachen Impulse der
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