Die Magier von Shannara 3 - Die Verschwörung der Druiden
sich von den Handflächen. Ansonsten fand er nur stehende Gewässer oder von Bodensatz verunreinigte Rinnsale zwischen den Felsen. Weiter oben stieß er auf Bäume, die hellrote Früchte trugen, doch deuteten leuchtende Farben, wie er wusste, bei Lebewesen oft auf Gefahr hin, und er verzichtete auf diese Nahrungsquelle. Ein Schwärm krähenähnlicher Vögel fraß Beeren von einem Strauch, und obwohl die Beeren nicht besonders appetitlich aussahen, probierte er eine und beurteilte sie als essbar. Mit einem Auge auf die Krähen, die ihn wütend ankrächzten, aß er den Rest.
Nach den Torturen der letzten Tage war er auf eine Weise entkräftet, die er nicht vorausgesehen hatte, und so gönnte er sich auf der Höhe des Passes eine Ruhepause, ehe er sich an den Abstieg machte. Zum Teil hing die Erschöpfung mit der Angst und der Anspannung zusammen, die der Drache verursacht hatte, aber auch damit, dass er nicht gegessen und schlecht geschlafen hatte. Das Land wirkte ermüdend auf ihn, die verdorrte Leere schmetterte ihn unerträglich nieder. Wie in dieser Welt irgendetwas überleben konnte, wollte ihm nicht einleuchten. Vermutlich passte alles, was hier existierte, auf seine eigene Weise zu diesem Land. Für den Drachen galt das sicherlich. Er hoffte, dieser Drache sei das gefährlichste Wesen, auf das er stoßen würde, aber wie gut mochten seine Chancen in dieser Hinsicht stehen?
Nach der Rast ging er auf der anderen Seite der Berge nach unten und folgte dem langen gewundenen Pass zu einer riesigen, nebelverhüllten Ebene, die sich ausdehnte, so weit das Auge reichte. Hier schien es kein Leben zu geben, dennoch hütete er sich, tatsächlich keins zu erwarten. Dunst hing über dem Boden und zog durch tiefe Schluchten und an den Rändern von breiten Plateaus entlang, die sich aus dem Flachland erhoben wie schlafende Tiere. Baumgerippe ragten aus der Ebene wie Knochen, und hier und da schimmerten ölige schwarze Wassertümpel.
Verzweifelt ließ er den Blick über die Ebene schweifen. Er hatte keine große Lust, sie zu überqueren.
Aber welche Wahl blieb ihm schon?
Er hatte keine Ahnung, wie weit er gehen musste, um seine Tante zu finden, oder was ihn unterwegs oder am Ende erwartete. Sie war inzwischen lange Zeit hier; dementsprechend konnte ihr ziemlich viel zugestoßen sein. Er glaubte allerdings, die Runen führten ihn nicht geradewegs zu ihrer Leiche. Zwar mochte sie verwundet sein oder auch seelischen Schaden davongetragen haben. Vielleicht war sie in Gefangenschaft geraten, oder vielleicht hatte sie höchst unangenehme Erlebnisse gehabt. Falls sie körperliche Hilfe brauchte, um zu der Tür aus der Verfemung zu gelangen, wie sollte er ihr diese gewähren? Falls sie die Hilfe eines Heilers benötigte, wie konnte er ihr diese verschaffen? Je länger er darüber nachdachte, desto entmutigender erschienen ihm seine Aussichten. Zu viel Zeit war verstrichen, als dass ihr Leben in unveränderter Weise hätte weitergehen können. Sie würde auf die eine oder andere Art Schaden davongetragen haben.
Er freute sich keineswegs darauf zu erfahren, worum es sich dabei handelte.
So trottete er weiter, erreichte das untere Ende des Passes und brach über die Ebene zum im Nebel verschwundenen Horizont auf. Der Dunkelstab führte ihn nach Südosten und wich ein wenig von der früheren Richtung ab. Der Weg vor ihm versank in der herankriechenden Dunkelheit, die sich im Osten erhob wie ein Leichentuch, das über einem Toten ausgebreitet wird. Das Land fühlte sich auch wie eine Leiche an, und Pen fand, es wäre durchaus angemessen, ein Leichentuch darüberzudecken. Er wollte allerdings lieber nicht dabei sein, wenn es so weit wäre, und deshalb suchte er nach einer Stelle, an der er die Nacht verbringen konnte. Hier gab es keine Felsansammlungen wie diejenigen, in denen er während der vergangenen Nächte Unterschlupf gefunden hatte. Stattdessen bestand das Land aus Felsvorsprüngen, die über tiefe Schluchten ragten, und verkümmerten Gruppen von Bäumen. Er entschied sich für Letztere, weil er hoffte ein Wäldchen zu finden, in dem er sich vor den Jägern der Nacht verstecken konnte.
Zum wohl hundertsten Mal wünschte er, mehr über dieses Land und seine Bewohner zu wissen, was ihm vielleicht ein wenig mehr Sicherheit gewährt hätte. Doch konnte er an seiner Unkenntnis nichts ändern; er war hier, und die einzige Person, die ihm vielleicht nützliche Informationen geben konnte, war diejenige, nach der er suchte.
Das Licht
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