Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
Safi gesprochen – mit ihrem Safi. Mit dem besten Gesellschafter und Freund, den je eine ägyptische Prinzessin gehabt hatte. Der von klein auf immer für sie da war, immer einen Rat wusste, den sie verehrte und – ja, und den sie abgöttisch liebte. Safi, der geheimnisvolle Fremde, wie ihn die Männer bei Hofe manchmal nannten, der mit der Göttin Nefertari gekommen war und zu einem uralten Volk gehörte. Merit-Amun kam ins Schwärmen. Das passierte ihr immer noch, obwohl es doch schon so lange her war. Ihr fiel auch ein, dass ihre Mutter gar nicht gestorben war. Sie selber hatte ihr ja geholfen, zu ihrem Volk zurückzukehren. An diesem Tag waren auch Safi und die anderen plötzlich verschwunden. Damals war ihre Trauer grenzenlos gewesen und nun war sie zu feige, um zu ihnen zu gehen. Sie schalt sich selber eine dumme Kröte.
Safi war mit dem Ausgang der kleinen Unterhaltung recht zufrieden. Er strahlte regelrecht.
Neri sah ihn von der Seite an. „Was macht dich eigentlich so sicher, dass sie kommen wird?“
Safi errötete.
„Ah ja, hab mir schon so was gedacht“, schmunzelte Neri. „Ihr habt euch zu gut verstanden.“
„War das wirklich so offensichtlich?“
„Für mich schon.“ Neri drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger.
„Äh, es ist aber nicht so, wie du vielleicht denkst …“, versicherte Hatik.
„Ich glaube, dann hätte dir ihr Herr Papa auch ein Zimmer ohne Fenster und Türen verschafft.“
Safi schluckte, viel hätte da bestimmt nicht gefehlt, wenn er weiter bei Hofe geblieben wäre. Dem Zauber der Prinzessin hatte er sich nur schwer entziehen können.
„Vielleicht sollten wir den Transfer langsam vorbereiten“, versuchte er abzulenken.
„Meinst du nicht, das ist noch etwas verfrüht?“
„Nein. Sie wird kommen. Wir haben beide ein Versprechen einzulösen. Darin ist sie wie du, sie bricht nie ein gegebenes Wort.“
Neri unterrichtete den Magischen Rat, wie die Gruppe um Solon seit einiger Zeit genannt wurde, vom letzten Gespräch mit ihrer Tochter und von den Hoffnungen, die sie in Safi setzte. Hatik bestärkte Safis Meinung, er hatte schließlich oft genug dafür gesorgt, dass die beiden unbeobachtet ein paar ruhige Stunden erleben konnten, fernab von Hofintrigen und übler Nachrede. Auch er war felsenfest überzeugt, dass Merit-Amun in wenigen Tagen leibhaftig vor ihnen stehen würde.
Die Magier stellten die Kräuter und Kristalle bereit, um den Energieschub sanft zu machen, die Prinzessin sollte schließlich unversehrt nach Atla gelangen. Neri und Safi passten den nächsten günstigen Zeitpunkt ab, um erneut mit ihr zu kommunizieren.
Die Priesterin der Hathor hatte schlecht geschlafen. Wie gerädert fühlte sie sich, als sie endlich das Haus verließ. Die ganze Nacht spukte die Seelenfresserin Ammit durch ihre Träume. Jetzt wollte sie sich bei den Göttern Rat und Beistand holen. Vorsichtig schichtete sie neues Räucherwerk in die Kupferschale zu Füßen der Hathor, als sie das unbestimmte Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Sie drehte sich vorsichtig um. Nichts. Langsam begriff sie, dass die Augen der Statue ihr wieder folgten.
„Mutter?“
„Ja, meine Tochter.“
Die junge Frau schaute etwas verlegen drein. „Ist…ist Safi auch hier?“ Zaghaft und leise kam die Frage über ihre Lippen.
„Ja, meine Prinzessin, ich bin auch hier.“
Merit-Amun lief puterrot an. „Ich habe mich entschieden.“ Sie machte eine Pause. Ihr Mund war vor Aufregung trocken geworden.
„Wie lautet deine Antwort?“
Merit-Amun war so aufgewühlt, dass ihr das Zittern in Safis Stimme völlig entging und so antwortete sie stockend: „Ich werde zu euch kommen, wann immer ihr es wünscht.“
„Danke. Es wird nicht dein Schaden sein.“
„Was soll ich tun? Wie komme ich zu euch?“
„Geh beim nächsten Vollmond in den Anubis-Tempel. In der dritten Hieroglyphenreihe ist ein Skarabäus, der nicht in den Text gehört. Lege deine linke Hand auf diesen Käfer und öffne so die geheime Kammer. Tritt ein und fürchte dich nicht. Lege dich in Mumienstellung flach auf den Boden und warte ab. Warte ab - warte ab - warte ab …“
„Mutter?“
Die Göttin antwortete nicht mehr. Der Nachhall der letzten Worte schwang noch im Tempel nach.
Der nächste Vollmond? Das war ja schon in zwei Tagen! Sie begann zu zittern. Es gab kein Zurück.
In der Vollmondnacht schlich Merit-Amun unbemerkt aus dem Palast. Sie war in ein einfaches Kleid gehüllt und trug eine dunkle Decke um die
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