Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
ihrer Gedankenwelt als Legende fort und fort.
Neri seufzte, als sie sich endlich erhob und langsam nach Hause schlenderte. Aus den Fensteröffnungen der kleinen Hütten drang der flackernde Lichtschein der Öllämpchen und erzeugte eine angenehme Atmosphäre. Die schwarzhaarige Frau beschleunigte ihren Schritt. Ein knisterndes Feuer im Kamin und eine Tasse heißer Kräutertee wären jetzt genau das Richtige.
Als sie um die letzte Ecke bog, wurden ihre Augen groß. Im Kamin brannten ein paar Holzscheite, auf dem Sims stand ein großer Henkeltopf mit duftendem Tee. Neben dem Gefäß stand noch etwas, etwas Kleineres, das sie nie zuvor in ihrer Behausung gesehen hatte. Neri konnte es von der Tür aus nicht genau erkennen. Es war etwa faustgroß, hatte eine dunkle Oberfläche, über die jetzt die rötlichen Lichtreflexe des Feuers tanzten. Auch die Atmosphäre im Raum schien ihr plötzlich fremd zu sein. Es lag etwas Feierliches in der Luft und Neri schien es, als ob der zarte Duft von Räucherwerk von dem seltsamen Gegenstand ausging. Mit ausgestreckten Armen und geöffneten Händen ging sie ihm entgegen. Mit jedem Schritt schälten sie die Konturen stärker hervor und zeigten eine kleine Statuette. Das Kunstwerk stellte einen Drachen dar, der mit ausgebreiteten Schwingen eine Kobra zu beschützen schien, die vor ihm mit aufgerichteter Haube lag. Beide Wesen schienen die Betrachterin direkt anzublicken und Neri traf es wie ein Stich ins Herz. Das musste das Vermächtnis von Siri sein. Sie hob die kleine Figur vom Sims und spürte das Pulsieren der Energien bis in die tiefsten Winkel ihres Körpers. In einer Hand das Teetöpfchen, in der anderen den Drachen, durchquerte sie den Raum und nahm ihren Platz vor dem uralten Kristall von Atla ein. Vorsichtig nahm sie einen Schluck und stellte das Gefäß auf den Boden. Sie begann die Figürchen akribisch zu betrachten. Jede Schuppe der beiden Tiere war detailgetreu ausgearbeitet. Bei der winzigen Kobra konnte sie genau die beiden nadelfeinen Giftzähne und die gespaltene Zunge erkennen. Die beiden Tiere waren so gefertigt, dass sie dem Betrachter direkt ins Gesicht blickten und mit den Augen überallhin zu folgen schienen. Neri nahm noch einen Schluck des Kräutergebräus. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sich auch hier ein neuer Geschmack verborgen hatte. Ein Kraut, was sie nicht kannte und von dem sie sogar glaubte, dass es nicht von der Erde stammte. Es berauschte nicht, aber es machte den Geist frei und gab dem Körper Leichtigkeit. Immer wieder drehte sie die Statuette in alle Richtungen und entdeckte immer mehr Details. Kam das Licht genau von vorn, nahmen die Augen des Drachen einen grünlichen Schimmer an, kam es von der Seite leuchteten sie rötlich. Als das blasse Mondlicht auf den Drachen fiel, begann ein wahrer Farbenrausch. Jede Drachenschuppe leuchtet in einer anderen Farbe. Die Kobra hingegen glänzte nur schwarz bis dunkelgrün und schien immer im Schatten zu liegen. Plötzlich traf das Licht in einem ganz bestimmten Winkel den gehörnten Kopf der Drachenfigur und auf der Stirn erschien ein goldenes Dreieck, dessen Spitze genau zwischen den Hörnern endete. Es bestand kein Zweifel, die kleine Figur stellte Siri dar. Aber was bedeutete die Kobra zu ihren Füßen. Und woher war die Figur gekommen? Gleich morgen würde sie Solon fragen, sicher hatte er sie auf den Kaminsims gestellt. Er war jedenfalls lange genug vor Neri vom See aufgebrochen.
Nach der Geschichte, die er ihr erzählt hatte, kam er auch als Einziger in Frage. Neri trank den Rest aus ihrer Tasse in einem Zug und rollte sich auf ihrem Lager gemütlich in ein großes Fell. Den Drachen hatte sie vor ihren Kristall gestellt und wusste ihn dort in guter Gesellschaft. Rasch fiel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Am nächsten Morgen öffnete sie vorsichtig die Augen und spähte nach ihrem Energiestein. Sofort kam ihr der Drache ins Blickfeld und erinnerte sie an den vergangenen Abend. Mit einem Satz war sie von ihrem Lager und streichelte die Figur. Sie fühlte sich seltsam warm an. So etwas hatte sie schon einmal erlebt, aber das war schon wieder ein paar Jahre her. Damals hatten zwei der Schüler des Magiers Talos eigenmächtig mit den Energiekristallen ihres Meisters herumexperimentiert. Neugierig, wie Jugendliche nun mal sind, verbanden sie die Steine bar jeder Regel und glaubten die Größten zu sein, als ihnen die Sache aus dem Ruder lief. Die Seele des Tobi wurde in einen der Kristalle
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