Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
Ich weiß, dass du ihn dort treffen wirst. Beschütze ihn bitte, solange du kannst.“
„Das werde ich, Solon, das werde ich. Sollte aber in der Zwischenzeit hier etwas Bedrohliches mit Letan passieren, dann müsst ihr mich unverzüglich zurück rufen. Nehmt eure gesamte Kraft zusammen, denn ich kann nicht sagen, was mich dort erwartet. Ich werde versuchen, immer in der Nähe der Kraftknoten der Erde zu bleiben, damit ihr mich auch erreicht. Wann die anderen wieder hierher kommen, steht noch in den Sternen. Du und Talos, ihr werdet es fühlen, wenn sie angekommen sind.“
Solon schenkte noch einmal Tee nach. Ihm war, durch seinen eigenen Kummer, erst jetzt aufgefallen, wie mitgenommen Neri aussah. Tiefe Schatten lagen unter ihren Augen.
„Dir geht es aber auch nicht gerade gut“, sagte er leise.
Neri nickte nur. „Es ist die Verantwortung für die anderen, die mir so zu schaffen macht. Ein winziger Fehler könnte ihren Tod bedeuten. Aber da muss ich durch, ob ich will oder nicht.“
Der Magier konnte die Gedanken sehr gut nachvollziehen. Seine Aufgabe hier war ähnlich schwer. Kamen die Zeitreisenden zurück, mussten sie sofort aus ihren steinernen Wannen befreit werden, sonst würden sie qualvoll ersticken.
„Ich werde morgen den Senat aufsuchen, um alles zu regeln. In drei Tagen sollen sich alle Atlan hier einfinden.“
„Gut, das ist ganz in meinem Sinne.“ Neri erhob sich. Sie dankte Solon noch einmal für alles, ehe sie in die Nacht hinaus trat. Unbewusst suchte sie am Himmel ihren Ursprungsplaneten, obwohl er von der Erde aus unmöglich zu sehen sein konnte. Dann schweifte ihr Blick noch einmal wehmütig zu den steilen Felsen der Gebirgskette. Irgendwo dort war jetzt Rami. Rami den sie mehr mochte, als sie sich eingestehen wollte.
Hatik, Neris Helfer in der Zukunft, stand unter gleichem Hochdruck, sollte sich doch sein Leben in Kürze noch einmal radikal ändern.
Nach einem langen, anstrengenden Tag war Hatik zu Binti gekommen. Der Rappe erwartete ihn schon sehnsüchtig. Er wusste genau, dass er jetzt gleich den Stall verlassen durfte, um seinen Herrn in die Nacht zu tragen. Das war das Mindeste, was Hatik seinem Ross versprochen hatte. Dem Jungen schwirrte von den vielen neuen Arbeiten, die er nun erlernen musste, schon der Kopf. Er brauchte dringend etwas Zerstreuung. Rasch saß er auf Bintis Rücken, um die kleine Oase für einen Ausritt zu verlassen. Es war eine herrliche Nacht. Samtschwarz der Himmel, goldstrahlende Sterne leuchteten überall, kein Lufthauch bewegte den feinen Sand. Der blasse Halbmond gab gerade so viel Helligkeit, dass die nahen Dünen in unwirkliches Licht getaucht waren. Hatik atmete tief durch. Langsam ließen die bohrenden Kopfschmerzen nach. Pepi war ein guter, aber auch sehr strenger Lehrer. Aber das musste wohl so sein, denn Hatik wollte der Beste werden, wie er es Pepi versprochen hatte. Binti schnaubte leise.
„Du hast Recht. Jetzt geht es um dich. Galopp!“
Binti-Amun schoss, wie ein Pfeil von der Sehne, davon. Hatiks Umhang flatterte mit der schwarzen Mähne des Pferdes um die Wette. Der Junge jauchzte vor Vergnügen. „Juhu, ja, weiter so! Lauf, denn du bist der Allerbeste!“ Im Galopp auf Binti-Amuns Rücken fühlte sich der Junge frei wie eine Gazelle und schier unbesiegbar. Seinem Binti konnte er alle Geheimnisse und Sorgen anvertrauen. Die Nähe seines vierbeinigen Freundes gab ihm Kraft, aber auch Geborgenheit. Sie hatten die winzige Oase fast schon umrundet, als Hatik seinen Rappen wieder im Schritt gehen ließ. Langsam näherten sie sich dem großen Tor. Neferem, der heute wieder einmal Nachtwache hatte, ließ die beiden ein. Augenzwinkernd fragte er: „Na ihr zwei, gibt es etwas Neues in der Wüste?“
Hatik lachte fröhlich. „Nein, die ist noch immer so trocken und staubig wie früher.“
„Ach, ich dachte schon, es wären ein paar Sandkörner verloren gegangen“, scherzte Neferem. Im Vorbeireiten antwortete Hatik schlagfertig: „Ich habe sie nicht gezählt, aber es sah aus, als ob noch alle da wären.“
Nekem, der zweite Torwächter, kicherte. „Großer Horus! Der Kleine ist gut! Der hat doch auf alles die passende Antwort. Kein Wunder, dass ihn Raia gleich mochte.“
„Mir wird er fehlen, wenn er in Karnak ist.“ Neferem schaute dem kleinen Reiter nachdenklich hinterher. „Er hat, allein durch seine Anwesenheit, so viel Freude in unseren Alltag gebracht, dass es mir schwer fallen wird, ihn dahin ziehen zu sehen.“
Hatik
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