Die Magier von Tarronn (1) (German Edition)
Akribisch sammelten sie die kalkigen Reste zusammen, als Mara plötzlich zusammenzuckte. Ihre Finger hatten einen seltsamen Gegenstand berührt. Er lag zwischen den Eierschalen, war so groß wie ein Handteller und schien aus Metall zu bestehen. Durch ein Loch nahe dem Rand war ein Lederband gezogen worden. Hatik wurde sofort aufmerksam. Etwas schien heute anders zu sein, als beim letzten Besuch. Gespannt spähte er zu Mara hinüber, die im Halbdunkel der Höhle mühsam versuchte, das Fundstück zu betrachten. Der Tarronn ließ zwischen seinen Händen eine kleine, aber helle Lichtkugel entstehen und Mara hob das Gebilde ins Licht. Es war eine unregelmäßige Scheibe, in die ein stilisierter Drache eingraviert war. Das Band diente wohl dazu, das Amulett um den Hals tragen zu können. Im Lichtkegel erkannten die drei Freunde, dass das Band mit Gewalt zerrissen worden war. Mara reichte Hatik das Schmuckstück. Kaum hielt er es in der Hand, verfinsterte sich seine Miene. Seine Drachenaugen funkelten gefährlich.
„Was ist?“ Mara flüsterte voller Schreck und fast tonlos die Frage.
Ein raubtierähnliches Knurren des Drakonat war die Antwort, der sich vorsichtig auf der Stelle drehte und mit dem Lichtchen Stück für Stück den Boden absuchte. Schutzsuchend fasste Mara nach Arons Hand, denn Hatiks Reaktion war ihr unheimlich. Der Drachenmann pendelte langsam mit dem Kopf hin und her und sog geräuschvoll die Luft ein. Dann ging er ein paar Schritte auf die hintere Wand der Höhle zu und bückte sich, als wolle er etwas betrachten. Wortlos winkte er die beiden Atlan heran. Vor der kahlen Wand lag die zusammen gekrümmte Leiche eines jungen Mädchens. Ihre Mörder hatten sie an Händen und Füßen mit Lederstreifen gefesselt. Mara konnte den Anblick kaum ertragen. Sie barg ihr Gesicht an Arons Brust und weinte lautlos. Hatik versuchte mehr zu erfahren, indem er die Tote auf den Rücken drehte. Der schreckliche Anblick schockierte sogar den Drakonat. Man hatte der Wehrlosen die Kehle durchgeschnitten. Er hatte genug gesehen. Als letzten Dienst legte er das Drachenamulett vorsichtig auf den Körper der Toten, dann schob er mit sanfter Gewalt seine beiden Freunde weg von der Stätte des Grauens.
Jetzt trieb er sie zur Eile. „Wir müssen hier so schnell wie möglich weg. Nehmt nur noch die großen Stücke.“
„Was ist denn eigentlich geschehen?“ Aron drehte sich noch einmal um.
„Keine Zeit, keine Zeit, reden können wir später!“ Hatik übertrug seine Unruhe auf die anderen.
Die Hüterin schüttelte ihre Lethargie ab. Sie breitete, so schnell es ihre zitternden Hände zuließen, die Schalen aus und kaum, dass Hatik am Boden lag, stellte sie den Kontakt zwischen ihm und der Erde her. Aron trug währenddessen noch immer Reste von Dracheneiern herbei und bettete sie an Hatiks Körper. Dem jungen Mann wurde immer unbehaglicher zumute. Ständig schaute er sich, wie ein gehetztes Tier, nach allen Seiten um. In der Ferne glaubte er, Lärm und Schreie gehört zu haben. Beunruhigt stellte er fest, dass Hatik und Mara noch viel Arbeit vor sich hatten, doch dann hörte er Hatiks Stimme in seinen Gedanken: Mach es wie Mara, aber stütze deine rechte Hand so auf, dass sich eure Fingerspitzen berühren. Aron folgte sofort der Anweisung. Offensichtlich ging nun der Prozess schneller voran, das Pulver verschwand zusehends. Plötzlich zuckte der Körper des Drakonat zusammen. Die beiden Hüter öffneten erschrocken die Augen. Da traf sie ein glühend heißer Energiewirbel. Wie durch einen Zerrspiegel konnte Aron noch sehen, dass dort, wo der Kopf seines Freundes lag, eine riesige doppelschneidige Axt einschlug. Dann vergingen ihm vor Schmerz die Sinne.
„Runter – hinlegen!“ Solon brüllte die Warnung regelrecht in die tiefe Stille der Tempelgrotte hinein. Gleichzeitig hechtete er auf Neri zu und riss sie einfach zu Boden. Ein Krachen und Donnern war zu hören, dann schien die Grotte in Flammen zu stehen. Die Magier befürchteten schon, der Letan wäre erwacht, da es für den Spuk keine Erklärung gab. Mitten im Inferno schälten sich die Körper der drei Zeitenwanderer hervor. Mara schluchzte herzzerreißend, während Hatik den leblosen Aron vor den schwarzen Altar bettete und dann die Hüterin zu beruhigen versuchte.
Vorsichtig erhoben sich die derart überrumpelten Atlan und traten hinzu.
„Er ist doch nicht etwa …?“ Neri traute sich kaum, die Frage ganz auszusprechen.
Hatik schüttelte den Kopf. „Viel hätte
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