Die Magierin des Windes: Roman (German Edition)
Falkin von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand.
»Öffnet meine Kassette, und bezahlt diese Herren.« Jeremie wandte sich wieder Falkin zu, sein Lächeln war so falsch wie eine Papiermaske. »Ich glaube, die Summe belief sich auf fünfhundert Octavos.«
Fünfhundert? Das war alles? Sie warf einen Blick zu McAvery hinüber, doch der wirkte entspannt; ein kleines, erfreutes Lächeln ließ seine Lippen zucken. Sie hatte sich vorgenommen, dass sich ihre Wege in dem Augenblick trennen sollten, in dem sie Binns in Sicherheit gebracht hatte, aber jetzt wollte ihre Neugier ihn noch gern zu etwas Trinkbarem einladen, nur um den Rest der Geschichte zu erfahren.
Cyrus wurde damit fertig, die fünfhundert Münzen zu zählen. Er zog die Kordelschlinge am oberen Ende des Beutels zu, um ihn zu schließen, warf ihn dann McAvery widerwillig hin und durchbrach so Falkins skeptische Gedanken. Schlinge … Zuziehen … Binns. Die Wirklichkeit traf sie wie eine tote Möwe, die von oben herabstürzte. Was McAvery vorhatte, spielte keine Rolle. Niemand würde irgendetwas wegen Binns unternehmen. Das Geld war McAverys Teil des Geschäfts. Binns’ Freilassung war der ihre. Hier standen sie also, im Schlupfwinkel des Feindes. Wenn sie keinen Weg fand, die Lage zu ihrem Vorteil zu wenden, und das bald, war Binns so gut wie tot. Und sie auch.
»Eure Hoheit«, begann sie also und trat einen Schritt vor, »fünfhundert? Ich weiß ja, dass mein Partner recht einfältig aussieht, aber so dumm ist keiner von uns beiden.«
Der verblüffte Jeremie führte eine fleischige Hand an die Brust. »Wie bitte?«
Auch McAvery starrte sie an, mit einem Gesichtsausdruck, der irgendwo zwischen Entsetzen und Erheiterung lag. Also war es ihr gelungen, ihn zu überrumpeln. Es wurde allmählich auch Zeit, dass jemand das tat.
Cyrus’ Gesicht glich einer Maske des Erstaunens. »Ihr vergesst, was Euch zukommt, Kerl!«
»Das glaube ich nicht.« Sie versetzte der prallen Frucht einen Stoß mit einem Finger, so dass sie zitterte. »Ich weiß ganz genau, was mir zukommt. Und ich glaube, Eure Hoheit weiß das auch.«
Stille füllte den Raum. Jeremie starrte sie an, als ob er nicht glauben konnte, was er sie da gerade hatte sagen hören. Neben ihr war McAvery leicht zurückgewichen, näher zur Tür hin. Falkin konnte ihr eigenes Blut in den Ohren rauschen hören, aber sie verspürte keinerlei Furcht. Ob nun in luxuriösen Palästen oder an Deck der Vogelfrei – sie hatte jahrelang Männer, die sich nicht von diesem Prinzen unterschieden, niedergestarrt. Vielleicht war dieses Landrattenspiel doch nicht so seltsam. Wenn sie das offene Deck für das prächtige Gemach einsetzte, war der Unterschied kaum zu bemerken. Ihr Komplize mochte ja nervös werden, aber sie würde in jedem Fall gewinnen.
»Bei Krakel! Ihr führt ja harte Verhandlungen«, murmelte Jeremie. »Vielleicht verhandelt Ihr Euch selbst in eine Henkersschlinge.« Er legte Cyrus eine fleischige Hand auf die Schulter und stieß ihn verächtlich davon. »Was schulde ich Euch denn Eurer Meinung nach noch?«
»Zweierlei, Eure Hoheit.« Sie konnte es nicht zu offensichtlich machen. Das Logbuch fühlte sich unter ihrem Hemd schwer an. »Mein Partner und ich haben Gefallen an dem Leben auf dem offenen Meer gefunden. Da dachten wir, es würde unsere Arbeit doch wesentlich wirkungsvoller machen, wenn wir unsere eigene Reisemöglichkeit zwischen den Inseln hätten, nicht?«
Jeremie schob die Unterlippe vor und nickte weise. »Also hättet Ihr gern ein Schiff? Ich denke, das ist durchaus vernünftig. Schließlich ist es Euch gelungen, etwas zu holen, was mein eigener Agent nicht bekommen konnte.« Er warf einen Blick auf Cyrus. »Wie wäre es, wenn ich Euch zum Kapitän der Thanos machte?«
McAvery starrte Falkin mit einer Mischung aus Unglauben und Bewunderung an. Sie hätte ihm gern zugelächelt, musste sich aber zu kräftig anstrengen, ihren Mund davon abzuhalten, vor Überraschung aufzuklaffen. Die Thanos ! Sie malte sich aus, wie Binns wohl reagieren würde, wenn sie ihm das Kriegsschiff präsentierte.
»Das könnt Ihr nicht tun!«, jammerte Cyrus. »Das ist mein Schiff!«
»Das war es, Cyrus. Ihr habt Euch als unwürdig erwiesen, als mein Agent zu handeln.« Abschätzig wedelte er mit der Hand in Cyrus’ Richtung. »Verschwindet. Vielleicht werde ich Euch morgen, wenn ich erst König bin, gestatten, Herrn Burk auf der Thanos herumzuführen und ihm zu helfen, sich nun, da Ihr nicht länger an Bord
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