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Die magische Fessel

Die magische Fessel

Titel: Die magische Fessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Hoffmann
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Mythor erschrak vor sich selbst und einem plötzlichen Zorn, der im Angesicht Shayas so vollkommen verfehlt sein mußte. Doch er drang weiter in sie: »Warum macht ihr uns nur Andeutungen? Gwasamee in der Gruft von Elvinon, du und auch Cryton. Kämpfen wir nicht alle für das Licht? Helft ihr uns, wenn ihr uns ein Wissen vorenthaltet, das uns Macht geben könnte über die Kräfte des Verderbens?«
    Ihr Lächeln veränderte sich. Es schien Mitleid auszudrücken – und den Wunsch, etwas zu offenbaren, das nicht preisgegeben werden durfte.
    Für einen Augenblick hatte Mythor das sichere Gefühl, daß Shaya gegen eine Versuchung ankämpfte. Und noch etwas war nun in ihrem Blick, etwas, vor dem Mythor zurückschreckte.
    Es war wie eine Versprechung, wie ein stummes Verlangen, das niemals ’ geäußert werden durfte und doch in ihr brannte.
    Shayas Miene verschloß sich.
    »Du weißt nichts von der schweren Bürde dessen, was du als Wissen bezeichnest, Mythor. Du weißt nicht, wie verderblich zuviel Wissen für jenen sein kann, der es noch nicht zu bewältigen vermag. Hinter mir liegt ein langer Weg. Zusammen mit meinen elf Schwestern wurde ich auserwählt, nachdem ich eine Prüfung nach der anderen ablegen und eine Stufe der Reife nach der anderen erklimmen mußte. Du wirst deinen eigenen Weg weitergehen müssen, Mythor, und die Antworten finden, wenn die Zeit kommt. Ich bin nicht gekommen, um dir das abzunehmen. Ich habe dir einmal fast zuviel gezeigt, doch es war nötig, um die Waagschalen des Schicksals für diesen Augenblick wieder in ein Gleichgewicht zu bringen. Auch jetzt nehme ich dir den Kampf nicht ab, Mythor. Was ich tue, ist mehr, als mir bestimmt ist. Rätsele nicht, denn eines Tages wirst du verstehen.«
    »Was dir bestimmt ist?«
    »Auch das, denn es hat mit Sterblichen wie dir zu tun wie auch mit…«
    Sie verstummte. Mythor versuchte, sie festzuhalten, als ihre Umrisse verschwammen und zu reinem Licht wurden.
    »Warte noch!« rief er verzweifelt. »Sage mir jetzt, wer du bist, und warum du Dinge bewirkst, die dir… verboten sind?«
    Noch einmal wurde ihr Antlitz klar und deutlich. Und ihre vollen Lippen flüsterten:
    »Vielleicht habe ich meine ganz eigenen Gründe dafür, Mythor. Vielleicht werde ich es bereuen müssen.«
    Sie verschwand vor seinen Augen. Seine Hände griffen ins Leere. Plötzlich stand Gerrek neben ihm. Zaghaft fragte der Mandaler:
    »Mythor, wo sind wir?«
    Er wußte es nicht. Er dachte an Fronja und die Liebe, die er für sie im Herzen trug. Wie schon einmal, verglich er die beiden Frauen miteinander – falls Shaya überhaupt als ein Wesen aus Fleisch und Blut betrachtet werden konnte.
    »Was?« fragte er laut, ohne sich dessen bewußt zu sein, »würde geschehen, wenn die Barriere zusammenbräche?«
    »Welche Barriere?« kam es von Gerrek. »Dein Geist ist verwirrt, Mythor, und meiner wird es auch gleich sein, wenn ich noch länger in dieser Welt sein muß, die keine ist! Ich will…!«
    Die Nebel lösten sich auf. Dunkle Risse bildeten sich in der Glocke aus Helligkeit, die die Gefährten umfing. Und noch einmal glaubte Mythor die Stimme Shayas zu hören, ohne daß die Geheimnisvolle sich wieder zeigte:
    »Frage Nadomir nach dem Tillornischen Knoten, wenn die Zeit gekommen ist!«
    Er kam nicht mehr dazu, sich über diese Botschaft Gedanken zu machen, denn als die letzten Lichtschleier sich verflüchtigten, standen er und Gerrek vor einem mächtigen Altar in einer gewaltigen Halle mit gewölbter Decke. Die Wände bestanden aus Stein, eine kleine Wendeltreppe führte in einen Turm.
    »Wenn das alles einen Sinn ergeben soll«, sagte Mythor, »dann müssen wir jetzt im Tempel des Ersten Lichtes sein, Gerrek.«
    Alton leuchtete schwach in seiner Hand. Er konnte sich nicht erinnern, die Klinge in Shayas Reich in der Faust gehabt zu haben. Auch Gerreks Kurzschwert hatte er dort nicht gesehen.
    Weil Waffen in einer Welt des vollkommenen Lichtes und Friedens nichts zu suchen hatten?
    Mythor schüttelte die Gedanken endgültig ab. Später konnte er über die neuerliche Begegnung nachgrübeln. Jetzt drängte die Zeit.
    Von weit her war Kampflärm zu hören. Im Tempel jedoch herrschte Grabesstille. Doch das würde sich schnell ändern, sobald die Eilandbewohner den richtigen Schluß zogen oder die Macht, die sie lenkte, ihnen den Weg wies.
    Mythor atmete tief durch. Es war halbdunkel. Nur durch einige sehr hohe Fenster drang das blutrote Leuchten dieses Bereichs.
    »Oomyd!« sagte der Sohn

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