Die magische Fessel
des Kometen mit fester Stimme. »Ich weiß, daß du lebst, denn du hast Carlumen dem Tunnel nach Nirgendwo entrissen. Ich bin gekommen, um dir das Licht zu bringen – neuen Glauben und neue Kraft!«
Seine Worte erschienen ihm plötzlich vermessen. War er nicht nur ein winziger Funke im Vergleich zu dem Feuer, das Shaya verkörperte – und sie die Dienerin einer noch höheren Macht?
Doch er hatte den Glauben, den tief in ihm brennenden Glauben an das Licht und das Gute. Und alles das, was sein Leben ausmachte, war er in diesem Augenblick bereit, an Oomyd abzugeben.
Er stellte sich vor den ungeschmückten Altar aus dunklem Stein, stieg auf die erste von drei breiten Stufen und öffnete sich ganz dem Unbekannten.
Gerrek sah es mit Schrecken. Denn Mythor schien dieser Welt zu entschwinden. Er war nicht mehr ansprechbar, seien Augen brannten in einem furchteinflößenden Feuer.
Mythor reagierte nicht einmal, als draußen vor den Toren des Tempels die Schreie der Eilandbewohner aufklangen und Gerrek mit heftigem Schulterrütteln versuchte, den Freund in die wirkliche Welt zurückzuholen.
*
Es war nicht mehr und nicht weniger als Zufall, daß die Eilandbewohner zum Sturm auf den Tempel des Ersten Lichtes ansetzten, denn alle anderen Stätten, die ihnen noch vor so kurzer Zeit heilig gewesen waren, hatten sie bereits heimgesucht und verwüstet. Irgendwo in den Anlagen, das wußten sie, versteckten sich die Fremden.
Es war nicht der Darkon, der ihnen das sagte. Der Herr der Finsternis in der Gestalt des Sithen konnte Mythor und den Beuteldrachen nicht mehr erfassen. Verhaßtes Licht blendete seine Sinne, wann immer sie nach ihnen tasteten. So richtete der Darkon sein ganzes Augenmerk auf die Fliegende Stadt, auf die Verteidiger und auf Yhr. Vielleicht mochte es Mythor wahrhaftig gelingen, Oomyd erneut zu stärken. Der Darkon hätte es verhindern können, oder aber er konnte Carlumen einnehmen. Beides zusammen ging nicht.
Die Aussichten, den Kampf auf Carlumen für sich zu entscheiden, standen weitaus besser. Es mußte nur geschehen, bevor Oomyd erwachte. Denn dann genügte ein Schlag, um die noch schweigende Macht vollends auszuschalten.
Und ausgeschaltet mußten jene an Bord werden, die mit ihrer Magie der Schlange so schwer zu schaffen machten, schwerer, als sie dies selbst begriffen.
Der Sithe Koon hatte keine große Mühe, an Bord zu gelangen. Die Diener hatten den Weg geebnet. Koon kletterte an den Seilen hinauf, und helfende Hände streckten sich ihm überall entgegen. Koon ließ sich gegen die Verteidiger abschirmen, bis er hinter den Wehren war und in tiefe und enge Gassen eingetaucht. Von da an ließ er die Eilandbewohner zurück und arbeitete sich im Schutz der Schatten, die das wallende Himmelsrot zauberte, zum Bug vor.
Yhrs Kräfte neigten sich ihrem Ende zu. Die Gezeiten standen nicht günstig für die Schlange. Der Darkon verzichtete darauf, Yhr seine Gegenwart spüren zu lassen. Sie sollte lernen, was es hieß, einen Gegner zu unterschätzen!
Doch auch der Darkon war von diesem Fehler nicht frei. Er sah nicht die tausend unsichtbaren Augen der Fliegenden Stadt, als er sich näher und näher an die Kommandobrücke schlich. Er fühlte nicht, was im Leib Carlumens geschah, hörte nicht die lautlosen Stimmen der Lebensadern, als sie Caeryll berichteten.
Der Darkon hatte nur das eine Ziel vor Augen: in einen aus dem Kreis der Magiekundigen einfahren und den Kreis von innen heraus sprengen!
In seinen Kristallen vernahm Caeryll das Wispern der Lebensadern und hörte, daß das Böse sich Zutritt verschafft hatte. Er hatte keine Hoffnung mehr, denn Hukender war zu den Kriegern zurückgerannt und berichtete, was er gesehen hatte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Kampfkraft der Männer und Amazonen dahinschwand – so wie die geistigen Kräfte der Magiekundigen.
»Cryton!« rief Caeryll. »Cryton, du mußt dich lösen! Hole die Krieger! Ein schlimmerer Feind als die Schlange ist unter uns! Er war es, der Oomyd bezwang!«
Doch auch Cryton war schon zu sehr von Schwäche gezeichnet, um Caeryll überhaupt noch verstehen zu können. Heeva und Sadagar waren aus dem Kreis ausgeschieden. Sie lagen wie leblos am Boden. Andere Hände hatten sich umeinander geschlossen. Lankohr und Nadomir konnten nur noch knien, sie atmeten kaum, hingen wie erschlaffende Glieder einer Kette im Kreis, den nur Cryton noch aufrechterhielt.
In seiner Verzweiflung ließ Caeryll das Windhorn blasen, lauter als Yhrs
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