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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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den Jungwirt in der Magdeburger Schenke Zum Goldenen Kessel nach mir. Er wird wissen, wo ich zu finden bin!«
    Mit einer raschen Bewegung schulterte er seine Sackpfeife, zog seine Filzkappe tiefer in die Stirn, und noch ehe Philippa ein Wort entgegnen konnte, war er auch schon im Dickicht verschwunden.

18. Kapitel
    Wenn Katharina Luther etwas beherrschte, so, in schwierigen Situationen ihre Haltung nicht zu verlieren. Es war schwer auszumachen, welche Nachricht ihr mehr zusetzte: die von der fortschreitenden Krankheit ihres Mannes, von der ihr kurz nach ihrer Rückkehr nach Wittenberg ein Bote berichtete, oder jene von der Flucht des Magisters Bernardi.
    »Ich trage die volle Verantwortung«, war ihr einziger Kommentar, als der Stadthauptmann sie mit einem seiner Soldaten im Schwarzen Kloster aufsuchte, um sich zu beschweren. Im übrigen gab sie dem jungen Mann zu verstehen, daß sie ihm keine Rechenschaft schuldete, und verließ ihn schließlich, um einen Brief an ihren Gemahl zu diktieren.
    Das Bundestreffen neigte sich seinem Ende entgegen. Letztlich hatten die Argumente des sächsischen Kurfürsten und seines Schützlings Luther die Herren offensichtlich doch noch überzeugt, ihre Gegensätze zu überwinden und die vorbereitete Bündnisformel gegen Papst und Kaiser zu unterzeichnen. Wie man hörte, rüsteten sich die Fürsten und Vertreter der Reichsstädte bereits zur Heimkehr.
    »Seit Ihr aus diesem Nest zurückgekehrt seid, hat die Herrin kein Auge mehr zugemacht«, wußte Roswitha zu berichten, als Philippa und sie einige Tage später in der Küche zusammensaßen und die aus Rauhfeld mitgebrachten Kräuterbüschel mit Fäden zusammenbanden. Später sollten sie an die Deckenbalken neben der Feuerstelle gehängt werden. Durch das kleine Fenster der Kammer, in der die beiden Frauen an ihrem ersten Abend im Schwarzen Kloster gesessen und heiße Suppe gegessen hatten, schaute der Winterhimmel herein. Es dämmerte. Feiner Sprühregen bedeckte die dünnen Scheiben.
    Roswitha seufzte. Ihr sonst so rotes Gesicht hatte eine Blässe angenommen, die Philippa erschreckte. Es tat ihr leid, daß sie Roswitha in den vergangenen Wochen vernachlässigt hatte, und sie nahm sich vor, ihre Amme künftig stärker ins Vertrauen zu ziehen. Immerhin verfügte die Alte über einen wachen Verstand und vermochte, auf ihre ruppige Art manche Dinge erstaunlich rasch und vernünftig zu betrachten.
    »Eure Augen sind schon wieder rot, mein Herz. Habt Ihr geweint?«
    Philippa schüttelte den Kopf. Es war nicht ihre Art, Gefühlen freien Lauf zu lassen. Nicht einmal als ihr Vater gestorben war und man sie auf einen Karren gesetzt und zum Tor hinausgefahren hatte, hatte sie weinen können. In dieser Beziehung ähnelte sie ihrer Tante, die sich mit Lupian in ihre Gemächer eingeschlossen hatte, ohne ein weiteres Wort über Bernardi und den Zorn des Stadthauptmanns zu verlieren.
    »Ist es wegen der Flucht Eures Magisters?« fragte Roswitha hartnäckig. Sie stand auf, lief um den Tisch herum und nahm ein Gefäß mit grünem Deckel von einem der Borde neben der Feuerstelle.
    »Er ist nicht mein Magister«, rief Philippa erbost. »Ich wäre dir dankbar, wenn du Felix Bernardi in meiner Gegenwart nicht mehr erwähnen würdest!«
    »Aber für unschuldig haltet Ihr ihn nach wie vor, habe ich recht?«
    Philippa mußte nicht antworten, denn im selben Augenblick wurde die Tür zum ehemaligen Refektorium aufgerissen, und eine Schar von Kindern fegte schreiend vor Übermut durch die Küche. Der Windzug, den sie mit sich trugen, brachte beinahe Roswithas Lampe zum Erlöschen.
    »Base Philippa«, krähte der kleine Paul, als er seine Cousine erkannte, »Mama sagt, die Mädchen, denen du Unterricht gibst, sind gekommen. Sie warten schon oben in der Schulstube. Du mußt die Glocke läuten!«
    Philippa wischte sich hastig über die Augen und lächelte den Jungen freundlich an. Die anderen Kinder waren längst vor Roswithas Schelte aus der Küche geflohen und hatten die Tür hinter sich zugeworfen, doch der Junge blieb stehen, ohne seinen Geschwistern und Freunden nach draußen zu folgen.
    »Danke, Paul. Ich werde gleich nach oben gehen!«
    »Nimmst du mich mit in die Schulstube? Ich möchte auch lesen und schreiben lernen wie mein Bruder Johannes.«
    Philippa stand auf und strich ihrem jüngsten Cousin liebevoll über den blonden Haarschopf. Dann nahm sie ein Stück Holzkohle aus dem Feuerspalt unter dem gemauerten Herd und malte ihm damit ein großes P in die

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