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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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vor? Dies verstieß eindeutig gegen Eid und Gesetz. Es sei denn, die Frauen hatten etwas zu verbergen.
    Philippa erbleichte. Mit einemmal zitterten ihre Hände so stark, daß sie sich an einem Regal festhalten mußte, um nicht zu straucheln. Die Frau im Gebärstuhl starrte sie mißtrauisch an und rief dann mit kreischender Stimme nach der Barle.
    »Die Schwarze dort am Balken … ist sie das? Hat sie … mein Geld auch bei sich?«
    »Nur Geduld, Täubchen«, antwortete die Hebamme und tätschelte der Gebärenden die fleischigen Arme. »Sie ist nicht gekleidet wie eine Fahrende, aber das sind sie ja nie. Wäre auch zu auffallend, nicht wahr?« Sie stieß ein meckerndes Lachen aus, das Philippa das Blut in den Adern stocken ließ. Langsam dämmerte ihr, mit wem die Alte und ihre Patientin sie verwechselten. Sie hielten Philippa ihrer schwarzen Haare wegen für eine Schnäpperin, eine Fahrende, welche die ungewollten Früchte heimlicher Affären an sich nahm und an die Muselmanen verkaufte. Angeblich ließ der Sultan in Konstantinopel mit Vorliebe hellhäutige Knaben in seinem Palast erziehen, um sie später gegen die Christenheit als Spione einzusetzen. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurden Schnäpper, die man mit fremden Kindern erwischte, mit dem Tode bestraft.
    Die Barle schob mit klammen Fingern das Kleid der Frau bis zu den Hüften hinauf, massierte, zwischen ihren Beinen kniend, ihren Unterleib und verteilte schließlich einige getrocknete Blätter auf ihrem Bauch. Der Duft von Lorbeer und Melisse erfüllte die Kammer. Schließlich stimmte die Barle lateinische Benediktionen an und beschwor die heilige Margarete, die Schutzpatronin der Gebärenden. Wie als Antwort auf die monotonen Gesänge lief plötzlich eine starke Wehe durch den Körper der Frau. Ihr Kopf ruckte mechanisch auf und ab. Die Beine streckten sich, und sie bäumte sich fluchend auf. Dann flaute der Krampf urplötzlich wieder ab.
    »Reicht mir das Pergament. Es liegt auf dem Tisch«, rief die Barle Philippa zu. »Ich kann den Kopf des Kindes schon fühlen. Beeilt Euch, es kommt!«
    Philippa trat zögerlich zu dem kleinen Tisch und zog unter einem Stapel von Tellern ein Papier hervor. »In principio verbum erat «, las sie. »Et verbum apud deum erat. Et deus verbum erat  … Der Beginn des Johannes-Evangeliums. Was habt Ihr damit vor, Barle?«
    »Bestimmt werde ich's nicht verschlingen wie der Apostel auf Patmos sein Büchlein!« fuhr die Hebamme sie an. »Nun steht nicht herum wie ein steinerner Roland! Gebt mir das Papier! Wenn das Balg sich aus dem Leib kämpft, ist es am anfälligsten für die Schliche des Teufels. Die ersten Worte des Evangeliums bieten der Gebärenden Schutz und halten die Dämonen von dem Neugeborenen ab.«
    Angewidert wandte sich Philippa in Richtung Mauer. In ihrem Kopf drehte sich alles. Das Kreischen der Frau im Gebärstuhl wurde schriller, und der schwere Geruch von Blut und Kot vermischte sich mit dem der Kräuter auf ihrem entblößten Bauch. Philippas Blick fiel auf die Tür zum Hof. Sie war halb geöffnet; Maria Lepper hatte sich demnach leise davongemacht. Philippa konnte es ihr nicht einmal verdenken. Sie fragte sich nur, warum nicht schon längst ein Nachbar seinen Kopf zur Tür herein gestreckt hatte. Fürchtete man das Haus der alten Barle wirklich so sehr?
    Dann ging alles sehr schnell. Die Barle band die Nabelschnur des winzigen, blutverschmierten Neugeborenen ab und durchtrennte sie mit ihrer Zange.
    »Ein Knabe, Frau«, stellte sie zufrieden fest. »Klein ist er, aber kräftig.« Sie trug das Kind zum Tisch, wo eine gefüllte Schüssel bereitstand, und tauchte es kopfüber ins Wasser. Augenblicklich fing der kleine Junge zu schreien an.
    Philippa wurde es abwechselnd heiß und kalt. Sie durfte das Kind nicht schutzlos zurücklassen. Nicht in der Obhut einer Frau, die es an die Fahrenden verschacherte, und ihrer verbrecherischen Hebamme. Doch abkaufen konnte sie den Jungen den beiden Frauen auch nicht. Der Henker scherte sich selten um die Beweggründe seiner Opfer. Es hatte auch wenig Sinn, die Wachen zu rufen, gewiß kannte die Barle in diesem Viertel Dutzende von Schlupflöchern, um sich rasch unsichtbar zu machen.
    Das Kind begann in kräftigen Schüben zu schreien, während sich die Frau im roten Leinenkleid schwerfällig die Beine mit einem Schwamm säuberte. Philippa durfte keine Zeit mehr verlieren. Jeden Augenblick konnte die echte Schnäpperin das Haus der Barle betreten und sie entlarven. Was

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