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Die Magistra

Die Magistra

Titel: Die Magistra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Kannen aus Zinn, während die Mädchen fein ziselierte Tabletts hereintrugen.
    Die Lutherin hatte sich wahrhaftig selbst übertroffen. Nie zuvor hatte Philippa eine solche Vielzahl erlesener Speisen und Getränke gesehen, geschweige denn davon gekostet.
    Das Mahl wurde mit einer Speise aus in Pfefferrahm eingelegten Erdbeeren eröffnet. Dann folgten am Spieß goldbraun gebratene Hühner sowie Hammelfleisch mit Salbei, Minze und Fenchel, das in tiefen Tonschüsseln serviert wurde. Philippa hatte die Köchin einige Tage zuvor sagen hören, der Ton entfalte den Geschmack des zarten Fleisches erst richtig, und schon die alten Römer hätten es auf diese Weise zubereitet.
    Eine Schar aufgeregter Dienerinnen mit gestärkten weißen Schürzen und steifen Gugelhauben eilte mit Schalen durch die Reihen und legte den Gästen Gänse- und Schinkenkeulen auf. Unter den Frauen befand sich auch Maria Lepper, die ein Gesicht machte, als wäre sie soeben geohrfeigt worden. Sie schien sich nur mühsam auf den Beinen zu halten. Philippa starrte gebannt zu ihr hinüber. Was war nur mit der jungen Frau geschehen? Andauernd stolperte sie über ihre eigenen Füße. Als Maria die Stirnseite der Tafel erreichte, hielt sie ihr Tablett so ungeschickt, daß ein zäher Strom aus fettigem Bratensaft zu Boden tropfte. Drei der Gäste sprangen auf, um ihre aufgebauschten Ärmel vor dem spritzenden Fett zu schützen, und bedachten die Magd mit derben Flüchen.
    Maria riß erschrocken die Augen auf; sie sah sich um, als erwachte sie soeben aus einem tiefen Schlaf, bewegte sich jedoch nicht von der Stelle, bis ein scharfer Blick ihrer Herrin sie auf die andere Seite der Schrägen dirigierte. Wie von Furien gehetzt, eilte das Mädchen daraufhin zu einer der hohen Eichentruhen, die den Mägden als Anrichte für die nachfolgenden Speisen dienten, stellte ihr leeres Tablett ab und verließ den Saal so rasch, wie es ihre Holzpantinen zuließen.
    Als die Dienerinnen erneut das ehemalige Refektorium betraten, um Honigmilch, gezuckertes Obst und in Weinbrand getränkten Kuchen aufzutragen, war Maria nicht mehr unter ihnen. Philippa hoffte inständig, daß Katharina ihr Fehlen nicht auffiel und die Ärmste nicht bestrafte, obgleich ihr die Geheimniskrämerei des Mädchens allmählich auf die Nerven ging. Marias Verhalten deutete auf einen Liebhaber hin, der ihr mehr Unglück als Freuden bescherte.
    Wer mochte wohl dafür in Frage kommen? Vorsichtig spähte Philippa zu Felix Bernardi hinüber, aber der Magister tat sich an einem Stück Gänsekeule gütlich und schien Marias Flucht überhaupt nicht bemerkt zu haben.
    Die Lutherin hatte sich inzwischen in ein Gespräch mit der Malergattin Cranach vertieft, doch zweifelte Philippa keineswegs daran, daß den forschenden Blicken der Hausherrin auch nur ein einziges Detail ihres Gastmahles entging. Dafür sprach auch, daß Katharina jeden Versuch des Dieners, ihren Becher mit Wein zu füllen, höflich, aber bestimmt zurückwies.
    »Heute wird aufgetragen, was das Herz begehrt!« Der junge Krapp neben ihr wischte sich die fettigen Finger an seinem Rock ab. »Mit Ausnahme von Wildbret, natürlich. Es ist wirklich schade, daß das Jagdprivileg noch immer dem Adel vorbehalten ist. Frischen Fisch sehe ich allerdings nicht!«
    Philippa dachte an die Hechte und Karpfen, die sich munter im Weiher des Freihofs tummelten, und rang sich ein höfliches Kopfnicken ab. Trotz der verlockenden Düfte, die über der Halle lagen, aß sie nur wenig. Das Klopfen in ihren Schläfen war mittlerweile einem allgemeinen Unwohlsein gewichen. Außerdem kam ihr in den Sinn, daß sie es in ihrer Kindheit niemals gewagt hätte, während der vierzig Tage vor dem Osterfest Fleisch, Milch, Käse und Eier zu sich zu nehmen.
    Nihil sub sole perpetuum, hatte ihr Vater sie einst als Kind gelehrt, als sie auf seinen Knien den Tod ihres geliebten Singvogels beweinte. Nichts unter der Sonne war von Bestand. Als ihre Blicke wehmütig über die Köpfe der lärmenden Menge zu der Tafel auf dem Podest wanderten, bemerkte sie, daß der Eidgraf sie aufmerksam beobachtete. Er lächelte, hob galant seinen Pokal und nickte dann dem Hausherrn mit aufgeräumter Miene zu.
    »Ein Jammer, daß wir Wittenberg nicht eher erreichten, Doktor Luther. Unglücklicherweise gehören Eure kursächsischen Straßen nicht zu den besten im Reich.«
    »Nun ja, die Schlaglöcher sind wirklich eine Katastrophe«, gab Luther zu. »Insbesondere zu dieser ungastlichen Jahreszeit füllen

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