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Die Maikaefer

Die Maikaefer

Titel: Die Maikaefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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hinaus.
    Von der Freitreppe aus konnte ich nichts entdecken, außer dass der Springbrunnen nicht mehr plätscherte. Die Schüsse waren vom östlichen Seitenflügel gekommen, also vielleicht aus der Wohnung des Administrators. Bei diesem Gedanken fielen mir Elsbeth und Eule ein. Mir wurde ganz heiß. Zögerlich ging ich in die Richtung, wobei ich mich ängstlich an der Hauswand entlang bewegte, als könnte sie mich schützen. An der Wohnung des Administrators schlich ich vorbei. Es schien mir nicht geheuer, sie zu betreten. Sicherer wäre es, um die Ecke des Ostflügels herumzugehen und von draußen einen Blick in das Zimmer zu werfen, in dem Elsbeth und Eule vielleicht noch waren.
    Als ich um die Ecke bog, sah ich mehrere Soldaten am Eingang des Obstgartens stehen. Sie redeten und rauchten. Rübezahl war bei ihnen, und in einiger Entfernung von ihm lag ein Körper im Schnee, der sich um den Kopf herum rot gefärbt hatte. Ich blieb stehen und schaute genauer – es war Rudolf Bahlow, der Administrator. Mir näher und halb gegen den Zaun geschleudert lag Iwan und daneben sein Kollege. Mit offenen Augen schaute Iwan zu mir. Ich wartete, was er tun würde, denn es war für mich undenkbar, dass er tot war. Doch er rührte sich nicht, ebenso wie sein Kollege, dessen Arm in einer Schneewehe vergraben war. Sie waren tot, alle drei. Sie waren erschossen worden. Die drei Gewehrsalven, die Hotte und ich gehört hatten, waren das Letzte in ihrem Leben gewesen. Aber warum auch Iwan und sein Kollege? Sie waren doch keine deutschen Soldaten. Und wo waren die zwei russischen Offiziere, die ich nicht wieder gesehen hatte?
    Ich dachte an Hotte, der mich gewarnt hatte, Zeugen ihrer Verbrechen zu werden, doch weder Rübezahl noch seine Soldaten beachteten mich. Sie erzählten sich etwas und lachten. Dennoch schien es mir nicht ratsam, an den Weinranken hochzuklettern, um in das Zimmer zu schauen. Ich machte kehrt und ging unauffällig den Weg zurück, den ich gekommen war. Als ich mich noch einmal umsah, hielten alle Rübezahl ihren Becher hin, der ihnen aus einer Flasche eingoss.
    An der Haustür des Administrators blieb ich stehen, um zu lauschen. Es war nichts zu hören. Ich fasste mir ein Herz. Vielleicht waren die zwei russischen Offiziere noch da und unterhielten sich mit Elsbeth. Schließlich hatte sie das wundervolle Talent, eine ganze Runde zu amüsieren.
    Als ich den Flur betrat, hörte ich nichts. Die Tür zu dem Zimmer, wo die zwei Russen Elsbeth angefallen hatten, stand immer noch auf. Auf Zehenspitzen und mit kleinen Schritten lief ich hin, obwohl irgendetwas mich warnte. Es war nicht irgendetwas, sondern mein Herz, das immer heftiger schlug. Mein Brustkorb dröhnte, und mir wurde klar, dass es viel zu still in der Wohnung war. Dann ein Kratzen, das ich erkannte. Es war das Kratzen einer Maus, von der es eine Menge auf dem Gut gab. Ich streckte meinen Kopf vor, als ein Sonnenstrahl durchs Fenster in das Zimmer fiel und meinen Blick auf das helle Rechteck an der Erde zog. Dort lag die Flasche von Iwan, die Flüssigkeit war ausgelaufen und bildete einen kleinen See, an dessen Rand eine schnuppernde Maus saß. Sie trank aber nichts davon, sondern lief in einem plötzlichen Sprint zu einer Blutlache vor dem Bett. Das Blut wirkte auf mich wie ein schriller Alarm.
    Als ich den Blick hob, sah ich Elsbeth und Eule, die wie zwei abgeschlachtete Tiere übereinander nackt auf dem Bett lagen. Etwas wie eine lange Feder berührte meine Kehle, mein Magen explodierte, und ich musste mich übergeben. Immer wieder würgte es mich, während ich in die schlecht zerkauten Schinkenteile vor mir starrte. Als die Krämpfe nachließen, wischte ich mir mit dem Handrücken den Mund ab. Mit gesenktem Kopf ging ich zur Haustür, trat betäubt hinaus und blieb erst einmal stehen, um ein- und auszuatmen. Als mir besser war, setzte ich meinen Weg bis zum Bett meiner Schwester fort und schluchzte unter Tränen: »Elsbeth und Eule sind tot.«
    Meine Mutter sagte, ich sollte mich für eine Weile aufs Bett legen, und wenn es mir besser ginge, etwas für Dagi zu essen holen. Ihre Stimme verriet keine Erregung, als sie hinzufügte: »Vielleicht ist noch was vom Schinken da.«
    Ich verstand, dass man keine Gefühle mehr hatte, wenn man sich so lange da oben auf dem Schrank verstecken musste.
     
    In der Küche hatte sich nichts verändert, nur der Schinken war verschwunden. Auch sonst war nichts Essbares zu entdecken. Einige Soldaten hatten gesehen, dass ich

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