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Die Maikaefer

Die Maikaefer

Titel: Die Maikaefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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geeignete Bewaffnung und Ausbildung der Bauern?«
    Mit solchen Einwänden unterschätzte er Pauls Bereitschaft, alles für die Sache in eine Waagschale zu werfen, und sah auch nicht, wie besessen Paul von der plötzlichen Gelegenheit war, den Krieg nun hier auf Drewitz konkret fortzusetzen, ohne seine eigenen Häuser, Brücken, Flüsse, Bauern, Felder, Kirchen, Schienen und Bahnhöfe, ja sogar Bürgermeisterämter plus Waffen und Armeen dabei zu haben. »Du musst dir eben was ausdenken. Glaubst du, Partisanen haben eine militärische Ausrüstung? Die müssen sich halt auch was erfinden!«
    Partisanen hatte Hotte zwar schon mal als Wort irgendwo gehört, aber er hatte nie darüber nachgedacht und wusste auch nicht genau, was es bedeutete. »Partisanen?«, fragte er verdutzt.
    Paul hatte inzwischen zwei rechteckige Metallstücke erspäht. »Kann ich die als Panzer nehmen?«
    »In Ordnung.« Hotte verfolgte mit Neugierde, wie der Junge sein Spiel entwickelte.
    Paul nahm die Metallklötze und zeigte auf eine Reihe kleiner Holzkästchen, die nebeneinander oben im Regal standen. »Was ist das?«
    »Da sind Nägel verschiedener Größe drin.«
    »Kann ich drei davon haben? Für die Lastwagen.«
    »Ich suche dir die drei mit den wenigsten Nägeln raus«. Hotte ging auf die andere Seite der Schmiede, um eine lange Leiter zu holen. Er stellte sie an, und als er hinauf stieg, wandte sich Paul der Esse zu. Er nahm mit einer Zange ein kleines, glühendes Stück Koks und schob es in eines der Siedlungshäuschen in Hottes Modell.
    Als Hotte herunterkam, zeigte er Paul den Inhalt der Kästchen und fragte, ob er die Nägel herausnehmen solle.
    »Die lassen wir da drin,« sagte Paul in seiner immer freundlichen Art, die er nur durchbrach, wenn er den typischen Befehlston Uniformierter nachahmte. »Die Nägel sind die Soldaten auf den Lastwagen. Von deinen Figuren nehmen wir nur die Offiziere.«
    Er brachte die Panzer und die Lastwagen in Position, hielt die Offiziere in der linken Hand, um sie dort aufzustellen, wo er sie brauchte und ließ den ersten Panzer voranrollen, wobei er das schwere Rasseln der Ketten mit seinem kratzenden Gebrumme imitierte. »Wir kommen!« unterbrach er sein angestrengtes Krächzen. »Hast du eine Abwehrtaktik gefunden?« Dabei schob er das vordere Eisenstück gegen die kleine Wartehalle an der Haltestelle der Kleinbahn, wo sich die Gutsbewohner unterstellen konnten, wenn es regnete und sie auf den Zug warteten.
    Dieser Kleinbahnhof, wo das Korn verladen wurde, war eines von Hottes Meisterstücken, weil er dort nicht nur echtes Glas verwandt, sondern auch die Inschriften und alles andere sehr genau nachgeformt hatte. Das Hüttchen knickte um, der Panzer rollte darüber, drehte ein paar Mal hin und her, sodass das Glas zersplitterte und auch alles Übrige zerbrach.
    Hotte traute seinen Augen nicht. In diesem Moment fühlte er sich von dem Berliner Schnösel total auf den Arm genommen, war jedoch so verblüfft, dass er im ersten Moment nicht reagierte. Er holte einmal tief Luft, zog die Augenbrauen hoch und gerade als er etwas sagen wollte, weil die zwei Eisenstücke weiter in sein von allen Dorfbewohnern bewundertes Modell einfuhren, stoppte ihn die scharfe Stimme Pauls, der sich alle Mühe gab, wie ein aus der Haut geratener Feldwebel zu brüllen.
    »Wo ist die Abwehrtaktik für deine Soldaten?! Ich höre nichts! Wenn du eine Abwehrtaktik für deine Partisanen gefunden hast, musst du sie laut sagen, damit ich weiß, was die machen! Du musst also sagen: Zwei Leute bewegen sich, Deckung suchend, auf Lastenwagen Nummer Eins zu, um eine Handgranate auf die Ladefläche zu werfen!«
    Hotte wollte ihn für so viel mangelnden Respekt gerade zurechtweisen, als eines der Arbeiterhäuser zu brennen anfing. Der kleine Brand drohte, sich schnell auszubreiten.
    Das Feuer war nicht zu übersehen, aber Paul schien das nicht zu kümmern. »Partisanen sind eine große Bedrohung für die Sicherheit und das Reich«, führ Paul belehrend fort. »Die Bekämpfung der Partisanen ist der Haupteinsatzzweck für das SS-Sonderkommando Dirlewanger. Du musst jetzt also dein Dorf verteidigen. Oder bist du einer von diesen feigen Untermenschen, die sofort den Schwanz einziehen, wenn deutsche Panzerketten rasseln?«
    So wie andere Kindergenies schon mit acht Jahren Konzerte gaben und Mozart vorspielten, beherrschte Paul durch das viele Nachrichten-Hören und die Gespräche mit seiner Tante das Vokabular der Partei. Er hätte mit

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