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Die Maikaefer

Die Maikaefer

Titel: Die Maikaefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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stand Eule vor uns auf der Fahrbahn und meckerte, die Vorderachse sei gebrochen und der Stellmacher habe die Reparatur abgelehnt, weil die Kutsche kaum noch benutzt würde. »Ich hab den Hotte einmal mit der Kathrin drin gesehen!«, schrie er und lachte dreckig.
    Kathrin war die Tochter vom Schmied Max Wendt und der Verwalterin Gerda Wendt, die Hotte aufgenommen hatten, weil er ein Umquartierter aus dem Westen war wie Schmierbacke, Mauerblümchen und ihre Mutter, die immer ihr Haar aus dem Gesicht blies. Sie alle waren wegen der heftigen Fliegerangriffe hier, denn Pommern wurde zwar manchmal von der Ostsee her überflogen, aber nicht angegriffen. Die Bomben fielen da, wo Industrie war oder große Siedlungen. Hier war Frieden.
    »So, du meinst, Hotte war mit Kathrin hier in der Kutsche?«, fragte ich und wollte eigentlich herausfinden, was daran so besonders sein könnte.
    »Die Kutsche funktioniert nicht mehr, da kannst du so viel hühott machen, wie du willst. Meine Mutter sagt, das ist keine Kutsche mehr, das ist eine Liebeslaube. Wie weit bist du denn mit der Liebeslaube gefahren?«
    »Bis Petersburg, du Esel. Wo willst du hin?«
    »Meine Mutter hat ihr Molkereiheft vergessen, das bringe ich ihr.« Er zeigte zu den Kuhställen, und da sah ich Elsbeths Milchwagen stehen. Der Gedanke, dass ich jetzt Elsbeth begegnen könnte, elektrisierte mich.
    Ich untersuchte erst die große Kutsche, ich wollte wissen, ob Eule Recht hatte und die Vorderachse wirklich gebrochen war, und als ich dann hinter ihm her lief, stand zwar Elsbeths Milchwagen noch vor dem Kuhstall, aber Eule war nicht mehr da. Die Kannen waren aufgeladen, eine Plane war über ihnen festgezurrt, aber niemand zu sehen, auch Elsbeth nicht. Ich erinnerte mich noch an ihren Mann, der mir einmal ein Kiebitz-Ei zu essen gegeben hatte und jetzt an der Front war. Für Eule und mich war das traurig, denn wir mochten seinen Vater, aber es gab auch einige, die sich freuten, dass er eingezogen worden war, denn etliche Burschen von anderen Gütern hatten ihm die Eroberung von Elsbeth geneidet und fragten sogar heute noch, was sie wohl an so einem Pudding wie Erich gefunden hätte. Sie zerrissen sich auch die Mäuler darüber, dass Elsbeth, ab Herbst, wenn es kalt wurde, Hosen trug, und alle lästerten, sie trage die Hosen ihres Mannes. Weil ich das ein paar Mal gehört hatte, fragte ich meine Mutter, ob sie keine eigenen Hosen habe, und sie meinte, keine Frau habe Hosen.
    »Aber du hast doch auch Hosen.«
    »Ich trage Hosen, wenn ich Fahrrad fahre.«
    »Und Tante Elsbeth?«
    »Eine deutsche Frau trägt keine Hosen.« Sie lachte. »Der Führer will das nicht.« Sie machte oft solche Witze. Mein Vater mochte das nicht, aber das kümmerte sie wenig.
    »Dann bist du keine deutsche Frau«, sagte ich ärgerlich, weil sie mir das nicht richtig erklärte.
    »Nein, ich bin eine Chinesin.«
    So war sie. Man kam bei ihr nicht weiter. Ich würde Tante Elsbeth selbst fragen müssen, wenn ich das wissen wollte. Dazu brauchte man Mut, denn manchmal gab sie barsche Antworten. Jetzt aber schien es eine günstige Gelegenheit zu sein, niemand war zugegen, und ich wusste keine andere Möglichkeit, mit ihr ins Gespräch zu kommen, als nach ihren Hosen zu fragen. Ich hätte natürlich noch sagen können, wo ist Eule, aber das war mir zu langweilig.
    Sie schrieb dem Melkermeister etwas ins Buch, und als sie damit fertig war, fragte ich sie.
    Sie lächelte mich an, gab dem Schweizer das Buch zurück, kletterte auf den Wagen, nahm die Zügel in die linke, die lange Pferdepeitsche in die rechte Hand und streichelte mit ihr meine Wange. »Weil es jetzt morgens schon kalt ist«, sagte sie.
    Ich stand unten und blickte zu ihr hinauf. »Aber die anderen Frauen tragen keine Hosen.«
    Sie steckte die Peitsche in die Halterung, zog die Zügel fest an, weil die Pferde los wollten und stemmte sich mit den Füßen gegen die Querverstrebung. »Die Hosen müssen aufgetragen werden, wer weiß, ob Erich aus dem Felde zurückkommt.« Das Letzte hatte sie zu den Pferden gesagt, auf die sie nun mit den Zügeln einschlug. Die Pferde zogen an, aber für Elsbeth nicht kräftig genug, und so nahm sie die Peitsche, holte aus und knallte einmal in die Luft. Einer der Gäule, es war Hänsel, ging vorne hoch, dann legten sie sich mächtig ins Geschirr und fielen in den Galopp, dass Elisabeth die roten Haare wild um den Kopf flatterten
    Ich schaute ihr nach. Ich hatte immer gehofft, sie würde mich die Zügel noch einmal

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