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Die Maikaefer

Die Maikaefer

Titel: Die Maikaefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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es so weitergeht, wie sie es sich wünschen. In diesem Fall waren sie erfreut über die viele Ablenkung, die da geboten wurde. Das Leben war schon vor 33 in Deutschland unbehaglich, aber wer will das zugeben, wenn es nicht zu ändern ist. Da freut sich der Mensch über jeden Klamauk, über jedes Ereignis, das sein Unbehagen überdeckt. So kann man sagen, die Menschen veräußerlichen ihr inneres Elend. Es gibt ihnen das Gefühl, dass sie ihr Elend los sind, besonders wenn dazu Musik spielt.«
    »Die Musik, die jetzt für euch Kinder spielt, ist die kleine Nachtmusik «, sagte meine Mutter, stand auf und ordnete gleich meinen Abmarsch an. Dagi war immer noch krank, Ruthchen aus der Küche kümmerte sich um sie.
    Ich protestierte, doch wie so oft, ging der Protest in der Wiederholung des Immergleichen unter:
    »Morgen ist auch noch ein Tag«, sagte sie, als könne diese Information mich trösten.

13. KAPITEL
    D
    ie Ernte auf Gut Drewitz war eingefahren, die hohe Saison der Jagd war vorüber, und nur wenige Tage fehlten, bevor wir in dem Weihnachtskalender, den uns Tante Sissi geschenkt hatte, die erste Tür öffnen könnten.
    Auf dem Gut frühstückte jeder, wann er wollte. Das galt besonders für die Gäste, von denen manche, besonders jetzt im Winter, erst um elf Uhr ins Frühstückszimmer kamen und sich bedienten. Um zwölf wurde abgeräumt, dann war Schluss, weil um eins zum Mittagessen gedeckt wurde.
    An diesem Morgen waren wir für meine Verhältnisse ziemlich spät dran, denn die Nacht war eisig gewesen, Dagi hatte Mumps und unsere Mutter die halbe Nacht lang wach gehalten. Auch jetzt am Morgen wollte sie sie nicht gehen lassen. Schließlich war sie eingeschlafen, und ich konnte mit Mami hinunter in den Frühstückssalon. Nach dem Frühstück packte sie mich dick ein, weil sie nicht wollte, dass ich auch krank würde. Dann konnte ich raus.
    Als ich auf der Freitreppe stand, überlegte ich, was ich unternehmen könnte. Zu Hotte in die Schmiede war vielleicht keine schlechte Idee, weil die Luft sehr feucht war und es nach Regen aussah. Doch leider waren in der Schmiede keine Tiere, und wenn ich eine Weile nicht auf Drewitz gewesen war, hatte ich vor allem Sehnsucht nach den Tieren. Die Pferde waren aber schon längst gefüttert, die Kühe gemolken, und ich hätte jetzt nur Eule holen können, um die Ställe zu durchstreifen.
    Ich entschied mich für die Schmiede. Es war immer gut, Hotte als Ersten zu treffen, denn er erzählte mir, was auf dem Gut los gewesen war, oder wir machten unsere Runde. Von ihm erfuhr ich auch, wen sie in den Krieg beordert hatten. Das war wichtig, denn dann war ein weiterer Arbeitsplatz frei, auf dem ich vielleicht aushelfen konnte.
    Meistens musste ich warten, bis Hotte Pause hatte. Das machte mir aber nichts, denn ich mochte die rot und orange glühenden Farben des Eisens, mich faszinierte auch der Klang, wenn der Hammer auf den Amboss niederging. Vielleicht würde ja gerade eines der Pferde beschlagen werden, was ich sehr aufregend fand, denn die Pferde liebte ich am meisten und bald würde ich selbst ein Pony haben. Alle lachten, wenn ich sagte, ich könne schon reiten, aber es war wahr. Der erste Gespannführer Julius Schugk hatte mich schon ein paar Mal raufgesetzt, wenn er mit einem voll beladenen Wagen vom Feld zurückkam. Ein paar Mal hatte ich ihn abgepasst, kurz bevor er auf den Hof einfuhr, und zweimal war ich mit ihm draußen auf dem Feld gewesen und durfte dann den ganzen Weg nach Hause auf Hajo sitzen, der rechts vorne im Gespann ging. Als Hajo neu beschlagen wurde, war ich auch dabei.
    Zur Schmiede ging ich normalerweise schnurstracks die Kastanienallee hinunter bis zum Gutsteich, aber heute bog ich vor der Remise, wo die Kutschen untergestellt waren, links ab und spazierte am Kuhstall entlang, weil ich den warmen Geruch der Kühe mochte. Ich konnte all ihre Geräusche nachmachen, vom leisen Muh bis zum angstvollen Blöken. An der Remise kam mir plötzlich die Idee, Kutsche zu fahren. Ich kletterte auf die große Vierspännige, die auf langen Strecken auch sechsspännig gefahren wurde, schlug den Staub von der Kutschbank, löste die Kurbel, nahm die Zügel und die Peitsche und trieb die sechs Pferde heftig an. Ich konnte mit der Zunge knallen und kannte alle Ausdrücke eines wilden Kutschers. Der Staub wirbelte auf, die Leute mussten zur Seite springen, ein Dorf nach dem anderen durchquerten wir, und schon bald hörten wir die Glocken von Petersburg. Kaum waren wir da,

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