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Die Maikaefer

Die Maikaefer

Titel: Die Maikaefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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erzählte, der mit dem Treck gekommen war, aber nur einen Karren hatte, der von Rex gezogen wurde. Nach dem Essen liefen wir hinunter, und sie zeigte mir den Karren, der wie ein kleiner, einspänniger Pferdewagen aussah. An einem Pfosten hing das Geschirr, das extra für Rex angefertigt worden war, sodass er wie ein kleines Pferd den Wagen ziehen konnte, auf dem der Alte sein Hab und Gut transportiert hatte und auf den er manchmal, wenn er zu erschöpft war, auch selbst aufgestiegen war, um sich ziehen zu lassen und auszuruhen. Vor Naugard war er krank geworden, Alexa hatte ihn zwei Tage lang gepflegt, dann war er gestorben. Frau Schattner hatte ihr geholfen, die Beerdigung zu organisieren. Das war die Geschichte. Und nun gehörte Rex mir.
    Damit ich besser einschlafen konnte, kam Alexa zu mir ans Bett. Sie brachte Rex mit, und er legte sich auf den Teppich davor. Während ich ihn beobachtete, erzählte ich ihr von der Hochzeit, dem Einmarsch der Russen, dem Hühnerstall, der Flucht, der Fahrt in dem Zug und dem Bauernpaar, das uns hierher gebracht hatte und das am nächsten Morgen ganz früh weiter wollte. Ihr Ziel waren Verwandte in der Nähe von Schwerin. Alexa fragte mich, wie ich mich bei den einzelnen Stationen meiner Erzählung gefühlt hätte, und mir fiel auf, dass ich auf dieser Reise nach Zernikow meine Fähigkeit, Angst von Wut oder Enttäuschung unterscheiden zu können, verloren hatte. Ich wusste manchmal nicht mehr, ob es Angst war oder Verzweiflung oder Trauer.
    Gleich nachdem sie mir Gute Nacht gesagt hatte, kam der Schlaf und mit ihm sanfte Träume, die ich nicht verstand. Alle Menschen, denen ich begegnet war, kamen darin vor. Einmal erwachte ich, weil Rex gebellt hatte, ohne dass ich wusste, ob es in meinem Traum oder in Wirklichkeit gewesen war. Meine Augen füllten sich mit Tränen, die salziger als sonst schmeckten. Ich schlief wieder ein, und als ich aufwachte, lag ein Streifen fahler Wintersonne vor meinem Bett und ein fremder Hund. Es war kalt, ich fror, hatte Hunger und meine Knochen waren bleischwer. Da begriff ich, wie das Leben der Männer war, die den Krieg liebten.
    Ich liebte ihn nicht, ich verstand Paul nur in einem sehr oberflächlichen Sinne. Nur so: Es ist doch ordentlich was los, wenn eine Schlacht tobt! Ich aber wollte am liebsten unter meine Decke kriechen und mich in einer Höhle zusammenrollen, bis mich Mamas Lächeln erlösen würde. Doch ehe ich eine Bewegung machen konnte, stand Rex vor mir und bellte mich mit kleinen Wuffs an. Das änderte meinen Zustand. Er stand vor dem Bett und wartete darauf, dass ich mit ihm spielen oder irgendwas unternehmen würde. Ich setzte mich auf und streichelte seinen Kopf. Als er friedlich wurde, lüftete ich meine Beine und setzte sie auf den Boden. Da alles gut ging, stellte ich mich hin und umarmte ihn. Von nun an war er mein Freund. Er folgte mir zur Toilette, wartete, mich nicht aus den Augen lassend, bis ich mir meine Hände gewaschen und mich angezogen hatte und sprang in der Küche freudig an Alexa hoch. Sie gab ihm etwas zu essen, und dann sausten wir die Treppe hinunter in den Hof. Ich wollte die Gänse und die Kaninchen füttern. Die Pferde waren schon fort, weil das Bauernpaar sehr früh morgens aufgebrochen war.
    Das Füttern der Gänse wurde nicht so einfach, denn sie regten sich wegen Rex furchtbar auf. Cerberus breitete die Flügel aus und fauchte, als wollte er die Welt auspusten. Sogar Rex hatte vor ihm Respekt und wich zurück.
    Anschließend lief ich zu Paul, um ihm meinen neuen Freund vorzustellen, doch bevor ich klingelte, fiel mir ein, dass es besser wäre, Rex zu Alexa zu bringen und Paul erst einmal von ihm zu erzählen.
    Als er die Tür aufmachte, strahlte er mich an und sagte, heute wäre ich »die Engländer« und müsste zwei Seeschlachten verlieren. Er war wie ein Matrose gekleidet: dunkelblaue Hose mit weitem Schlag, hellblaue Bluse mit einem großen Latz auf dem Rücken und einer blau-weißen Kopfbedeckung, an der hinten zwei dunkelblaue Bänder flatterten.
    Ich verlor die zwei Schlachten, aber auch danach erlaubte Paul nicht, dass ich Rex holte, weil er fürchtete, dass der Hund all sein Spielzeug durcheinander bringen würde.
     
    In den darauf folgenden Wochen des Februars ging ich jeden Tag mit Rex spazieren. Er hatte sich schnell an mich gewöhnt und als neuen Herrn akzeptiert, sodass meine Mutter nicht mehr besorgt war, mir könnte auf den langen Wanderungen etwas passieren. Rex passte auf und hätte

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