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Die Maikaefer

Die Maikaefer

Titel: Die Maikaefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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riesige Schneewehe hinauf, aber als wir oben waren, standen wir auf dem Kamm einer sanften Anhöhe. Das Gehöft lag auf der Scheide, und wir schauten zur anderen Seite in ein weites, flaches Tal.
    »Wo wollen Sie hin?«, fragte der Bauer, der vor seiner Haustür stand. Er blickte rechts ins Tal, in dem die gleichmäßig verteilten fünf Bauernhöfe lichterloh brannten.
    Er hatte Recht, wohin sollten wir?
    Der Soldat und die anderen aus unserer Gruppe entschieden sich, ihren Weg Richtung Westen fortzusetzen. Da keine Sonne zu sehen war, ließen sie sich von dem Bauern zeigen, wo Westen war, nickten uns stumm zu und entfernten sich langsam, bis sie nur noch schwarze Punkte waren, die im blendenden Weiß verschwanden.
    Wir sahen ihnen nach. Ich war traurig, dass der Soldat nicht geblieben war. Ich schaute mich um, ob es Neuankömmlinge vom Zug gäbe, aber es war niemand zu sehen. Vielleicht lag es auch daran, dass ein scharfer Wind eingesetzt hatte, der den Schnee über die glatten Flächen fegte.
    Wir waren mit dem schweigsamen Bauern alleine. Meine Mutter fragte ihn, ob er Naugard kenne. Er kannte es. Er kannte sich so gut aus, dass er die verschiedenen Strecken und Fahr-Zeiten wusste. Meine Mutter war sehr interessiert und diskutierte mit ihm so lange alles durch, bis er lachte und sagte, seine Frau würde auf keinen Fall erlauben, dass er wegführe. Später sagte meine Mutter, sie habe die frischen Schlittenspuren gesehen und daher gewusst, dass er zwei Pferde und einen großen Pferdeschlitten besaß. Sie fragte ihn, ob sie mit seiner Frau reden dürfte. Er willigte ein und nahm uns mit in die Stube.
    Am Fenster saß eine Frau im dunkelgrauen Mantel mit einem dicken Schal und einem hellen Sommerhut auf dem Kopf. Es war fast ebenso kalt wie draußen. Ihre Hände hatte sie in einem dunkelgrauen Muff. An den Füßen trug sie Männerstiefel, die auf einer Fußbank standen, die für sie eigentlich zu hoch war. Sie schaute aus dem Fenster. Sie wandte sich nicht um, als wir hereinkamen. Dennoch begann meine Mutter ein Gespräch mit ihr, das ziemlich lange dauerte, sodass ich nicht mehr zuhörte. Es ging darum, den Bauersleuten klarzumachen, wie viel besser es für sie wäre, wenn sie ihren Hof verließen und nach Westen gingen. Sie könnten uns dann in Naugard absetzen und entweder bleiben oder weiterfahren, auf jeden Fall bot sie dafür zum Dank ihre goldene Uhr an. Das war das erste Mal, dass sich die Bäuerin zu uns umdrehte, was meine Mutter nutzte, um schnell zu ihr zu gehen, den Ärmel ihres Pelzmantels zurückzuschieben und ihr die Uhr zu zeigen. »Die ist mit Diamanten besetzt. Sehen Sie? Hier!«
    Danach passierte alles sehr schnell, denn die Bauersleute hatten das Meiste bereits gepackt. Er spannte die Gäule an, fuhr den Schlitten vor die Haustür, lud alles auf und ließ uns zwischen den Kartons und Koffern Platz nehmen. Aus irgendwelchen Militärbeständen hatten sie wasserdichte Zeltplanen, braun und grün gescheckt, und braune Decken, in die wir uns einwickeln konnten, sodass es eine recht komfortable Reise wurde. Obwohl es keine große Entfernung nach Naugard war, brauchten wir einen ganzen Tag und kamen erst abends an. Der Bauer erklärte seine Fahrtstrecke, die fast nur über Schleichwege ging, wie er sagte, weil alle großen Straßen von Trecks aus dem Osten verstopft waren. Danach schlief ich ein.
    In Naugard weckte mich meine Mutter, und ich hörte noch halb im Schlaf, wie sie den Bauern für seine Ortskenntnis lobte. Er lachte. Seine Frau sagte, sie stamme von hier, sie sei Naugarderin. Dann erzählte er, dass er sie vor ihrer Heirat immer heimlich besucht habe und er daher alle Wege kenne. Die Frau war nun fröhlich und schüttete aus einem Kochgeschirr Muckefuck in einen Becher, aus dem sie uns trinken ließ. In einem anderen Kochgeschirr hatte sie Kartoffelsuppe, die inzwischen zwar kalt war, in der aber kleine Stückchen Speck schwammen, sodass sie mir bei dem Hunger, den ich hatte, fast ebenso köstlich schien wie eine knusprige Weihnachtsgans. Allerdings habe die Frau ziemlich lange gebraucht, um zu solcher Großzügigkeit zu gelangen, meinte Mami später.

16.KAPITEL
    A
    lexa riss die Tür auf, und ich flog ihr in die Arme. Sie freute sich wie die Glückliche in einem Märchen, nahm Dagi auf den Arm und tanzte mit ihr herum. Sie setzte sie ab und knuddelte mich, dann nahm sie Dagi wieder, stellte sie auf den Tisch, fasste meine Hände und tanzte mit mir um den Tisch herum. Die Wohnung war mollig

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