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Die Maikaefer

Die Maikaefer

Titel: Die Maikaefer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Driest
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mandelförmigen braunen Augen, die kleine, etwas breite Nase und der volle Mund. Gerade dieses Aussehen war Anlass zu weiteren Spekulationen über Elfis Vater. Hotte hatte sogar einmal grinsend gesagt: »Der Vater ist nicht von hier, der muss aus Japan sein.« Für mich war es nichts »Japanisches«, für mich war es ein exotischer Zauber, und ein paar Mal war ich sogar in Elfi verliebt.
    Es fielen Schüsse, und eine russische Stimme brüllte: »Stoi!«
    Elfi und ihre Mutter hatten die Pforte zum Park noch nicht erreicht. Wieder krachten Schüsse. Irma fiel hin, und Elfi blieb wie erstarrt stehen.
    Ich drückte Dagis Hand so sehr, dass sie »Aua« schrie und sie wegzog. Irma lag auf dem Gesicht und rührte sich nicht mehr. Elfi ging langsam auf sie zu. Ein paar Russen kamen angelaufen, drehten Irma Mey auf den Rücken und schnitten ihr mit einem großen Messer die Kleider vom Leib, bis sie nackt war. Einer der Soldaten ließ sich auf die Knie fallen und warf sich über sie. Da Elfi wie eine Wahnsinnige schrie, trieb sie ein anderer in Richtung Scheune.
    Ich wurde aus meiner Erstarrung gerissen, als ein Russe sich uns zuwandte, mit seiner Waffe drohte und ein Zeichen machte, dass wir verschwinden sollten. Ich nahm Dagis Hand und ging mit ihr zurück zum Gutshaus. Ich weiß nicht, warum ich das tat, aber ich war wie benebelt.
    Inzwischen war es so dunkel geworden, dass man uns von der Scheune aus kaum noch sehen konnte. Da ich jedoch wissen wollte, was dort weiter passierte, schickte ich Dagi alleine weiter und gab ihr den Auftrag, Mutter zu sagen, dass die Russen betrunken seien und sie sich auf jeden Fall verstecken solle. Dagi zögerte, sie hatte Angst, aber ich gab ihr einen Schubs, sodass sie zu laufen begann. Um die mögliche Aufmerksamkeit der Panzerschützen auf mich zu lenken, ging ich hoch aufgerichtet und mit wedelnden Armen in Richtung Scheune. Als ich mich noch einmal umdrehte, sah ich, wie Dagi in der Haustür verschwand.
    Inzwischen war mir klar geworden, dass Irma Mey schon tot gewesen war, als sich der Soldat auf sie geworfen hatte. Es war nicht sehr klug von mir, zur Scheune zurückzugehen, aber jetzt merkte ich, dass ich Elfi trösten wollte, weil sie ihre Mutter verloren hatte. Ich wusste zwar nicht, wie so ein Trost aussehen könnte, aber ich wollte einfach in ihrer Nähe sein.
     
    Als ich den ersten Blick in die Scheune warf, packte mich ein Russe am Kragen und schob mich hinein. Dicht gedrängt standen alle beieinander, so wie ich es bei Rindern auf der Weide gesehen hatte, wenn es gewitterte. Einige Frauen weinten und jammerten, die Russen würden sie jetzt mit ihren Panzern zusammenschießen. Ich glaubte das nicht. Und sollte es geschehen, fühlte ich mich dennoch imstande, einen Ausweg oder eine Rettung zu finden. Für eine Sekunde hatte ich sogar die Vision, mit den ersten Flammen aus dem Dach zu fliegen, als Feuergeist vom Himmel zurückzukehren und alle Russen zu verbrennen.
    Zwei Frauen neben mir tuschelten etwas von »Flintenweibern«, die die Schlimmsten seien, denn im Tor der Scheune versammelten sich nicht nur Männer, sondern auch Soldatinnen. »Die haben nur Hass für uns«, zischte Berta Rohr voller Zorn.
    Immer wieder leuchteten die Russen mit ihren großen Taschenlampen zu uns herein und holten Mann für Mann heraus.
    Ich nahm das nur nebenbei wahr, denn ich wanderte zwischen all den Leuten herum, um Elfi zu finden. Ich entdeckte sie weinend neben Ruthchen Ossowski, die ihr den Rücken streichelte und ihr etwas zuflüsterte. Ich stellte mich daneben und fasste ihre Hand, die ich festhielt.
    Plötzlich stand sie im Licht einer Taschenlampe, sie entzog mir die Hand, um sich vor dem grellen Strahl zu schützen, doch sogleich war ein Russe vor ihr und wiederholte immer dieselben Worte: »Du Frau mitkommen.« Anfangs war seine Stimme noch freundlich, dann versprach er ihr: »Du nix kaputt«, beteuerte auch, sie müsse keine Angst haben, doch als Elfi nicht aufhörte zu weinen und den Kopf zu schütteln, wurde er ungemütlich. Allein die Tatsache, dass sich seine Stimme in ein grimmiges Knurren verwandelte, ließ die Umstehenden um ihr Leben fürchten, und sie fingen an, Elfi zu drängen, endlich mitzugehen. Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, und der Russe zerrte sie hinaus.
    Mittlerweile waren es immer mehr Lichtkegel geworden, die nach Frauen und Mädchen suchten. Auch höhere Dienstgrade. Der Russe, der Elfi mit sich gezerrt hatte, war mit einem Offizier in Streit

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