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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Meter hoch, und die Zweige bogen sich unter der Last wochenalten Schnees.
    Suzanne nickte. »Jules und Sidrac sind vorhin zurückgekommen. Es steht nicht gut um Estève. Seine Verfehlung ist nur gering, aber es scheint, dass sie ein Exempel statuieren wollen. Man hat ihn ins Gefängnis des erzbischöflichen Palasts geworfen, und niemand darf zu ihm.« Sie drückte Aleyds Arm. »Es wird schlimmer. Und wir hatten so große Hoffnungen, als Franz König wurde …«
    »Ja, die hatten wir alle. Aber er ist nicht schlecht. Es sind seine Berater, dieser Montmorency, die Poitiers und Tournon und nicht zuletzt die Sorbonne. Sie sind mächtiger geworden, seit Paul III. zum Papst gewählt wurde.«
    »Gottes Stellvertreter auf Erden, aber ohne seine Schergen kommt er nicht aus. Mit Kardinal Carafa hat er sich ein Kuckucksei ins eigene Nest gelegt. Seine Spitzel sind überall und sticheln und schnüffeln und hetzen das Volk auf. Was du mir von Monsignor Sampieri erzählt hast, macht mir Angst.« Suzanne hielt an und legte Aleyd ihre kalten Hände an die Wangen. »Weiß er es?«
    »Ja. Ich habe ihm geschrieben. Eigentlich wollte ich nicht. Es ist nicht leicht für ihn, und wenn er erst konvertiert hat, wird es noch gefährlicher. In Fontainebleau dürfen sie nicht wissen, dass er ein Ketzer ist. Er liebt seine Arbeit so sehr … Vielleicht bereut er es dann irgendwann.« Sie seufzte.
    »Aber dich liebt er mehr, Aleyd! Alles, was er bisher getan hat, spricht dafür. Ihr wäret schon längst verheiratet, wenn das Schicksal es nicht verhindert hätte.«

    Aleyd hakte sich wieder bei Suzanne ein, und sie setzten ihren Weg fort. Es raschelte in einer Tanne, und ein Eichhörnchen huschte durch den Schnee zum nächsten Baum. Der Weg wurde breiter und gab den Blick auf eine Lichtung frei. Vier windschiefe Häuser aus grauem Felsstein standen um einen freigeschaufelten Platz herum. Zwei Häuser wurden durch einen überdachten Verschlag verbunden, aus dem das Meckern von Ziegen ertönte. Mehrere große Hunde jagten Hühner über den Platz, ließen aber von dem erschrockenen Federvieh ab, um die beiden Frauen zu begrüßen.
    Ein zotteliger Hütehund stupste Aleyd an, die ihm den Kopf tätschelte. »Ist ja gut. Braver Junge.« Seit sie hier war, wusste sie die Wachsamkeit der Hunde zu schätzen.
    »Wenn du nächstes Mal spazieren gehst, nimmst du den Grauen mit, Aleyd. Geh schon vor, ich sammle noch die Eier ein.«
    Aleyd schüttelte ihren Umhang und die Rocksäume, in denen sich der Schnee verfing, und ging ins Haus. Hier in den Bergen gab es keine Förmlichkeiten. Beim Eintreten stand man direkt in der Küche, die auch Wohnraum war. Eine Stiege führte in den ersten Stock, in dem sich drei kleine Schlafkammern befanden. Beheizt wurde das Haus von der großen Feuerstelle im Erdgeschoss, deren Wärme durch die Ritzen der Holzböden aufstieg. Eine Ecke der Küche hatte Sidrac sich für die Herstellung seiner Arzneien vorbehalten. Die Kräuter lieferte ihm zu einem großen Teil seine Nachbarin Isabeau.
    Der Prediger und Arzt saß mit Jules und zwei Männern, die Aleyd nicht kannte, auf der langen Bank neben dem hohen Kamin. Die Bank zog sich um zwei Wände des Raumes. Im vorderen Teil stand ein großer Esstisch, an dem zehn Personen Platz fanden, und im hinteren Bereich, den Suzanne etwas hochtrabend die Stube nannte, standen vier Stühle um
einen kleineren Tisch. Dort saßen oft die Jungen über ihren Büchern und lernten, was ihr Vater ihnen auftrug. Aleyd staunte über die Disziplin, mit der sich die sechs- bis zwölfjährigen Burschen der lateinischen und griechischen Sprache widmeten.
    »Aleyd! Wo hast du gesteckt?« Jules stand auf und nahm ihr den Umhang ab. »Setz dich. Du siehst verfroren aus.« Er holte ihr einen Becher warmen Honigwein. »Das sind Jacob und Élie aus Villanova. Sie wollten gerade erzählen, was ihnen widerfahren ist.«
    Élie trug einen Kopfverband, der sein rechtes Ohr bedeckte, und schien in Jules’ Alter zu sein. Jacob war etwas älter. Beide Männer hatten Brandwunden an Gesicht und Händen.
    »Der Gouverneur selbst hat die Söldner angeführt. Sie sind ohne Vorwarnung in unsere Dörfer eingefallen und haben alles niedergebrannt. Unsere Vorräte haben sie gestohlen, die Tiere mitgenommen, und was sie nicht mitnehmen konnten, haben sie zerstört.« Jacob presste die Lippen zusammen, als könne er nicht weitersprechen.
    »Meine Schwester und seine Frau haben sie vergewaltigt und umgebracht, und wir konnten nichts

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