Die Malerin von Fontainebleau
wartete. Erst als der Mann auf seiner Höhe war, packte er ihn. Das Bündel fiel laut klirrend zu Boden.
»Albin!«, entfuhr es Didier, doch da war es bereits zu spät.
Grivels Tür flog auf, und das Licht seiner Laterne erhellte die nächtliche Szenerie. »Was geht hier vor?«
»Du Idiot!«, fluchte Albin leise. »Ich hätte mit dir geteilt!«
Didier hielt den Dieb am Kragen seines Hemdes gepackt. »Ich habe ihn auf frischer Tat ertappt!« Und leise zu Albin sagte er: »Halt ja den Mund über unser kleines Geschäft!«
Albin kratzte sich am Hals. Eine verschorfte Kruste brach auf, und Didier wandte sich angewidert ab.
Ein verschlafener Grivel war im Nachthemd zu ihnen getreten. Mit dem Fuß stieß er gegen den Beutel, den Albin fallen gelassen hatte. »Was ist das?«
»Ich, äh …« Schuldbewusst blickte Albin zu Boden.
Grivel bückte sich und zog den Beutel auf. Eine kleine Perlmuttschatulle fiel heraus. »Da du mir keine Erklärung geben kannst, gehe ich davon aus, dass du ein Dieb bist.«
Albin schwieg.
Aus einer Tür schaute ein verschlafener Belgier hervor. »Brennt es?«
»Nein, Monsieur. Es ist alles in bester Ordnung«, versicherte Grivel.
»Ah«, murmelte der Maler und verschwand wieder in seinem Zimmer.
Grivel ging in sein Zimmer, wo er mit einem Stock gegen die Decke klopfte. Kurz darauf erschienen drei junge Burschen, die in einer der Dachkammern schliefen. Sie waren einfache Diener wie Didier und sahen den Kammerherrn ergeben an.
»Dieses Individuum hat gestohlen. Bringt ihn nach unten in den Kerker. Er wird morgen seiner Strafe zugeführt. Weißt du armseliger Tropf überhaupt, was dich erwartet?«, fragte Grivel scharf.
Stumm schüttelte Albin den Kopf.
»Auf minder schweren Diebstahl stehen Peitschenhiebe, auf schweren Diebstahl Erhängen. Da du Gäste des Königs bestohlen hast, handelt es sich um schweren Diebstahl. Der bailli wird das morgen bestätigen.«
Erst jetzt schien Albin aus seinem Schock zu erwachen. »Nein!«, kreischte er, und die drei Burschen mussten ihn an Händen und Füßen packen und zu Boden werfen. »Nein! Ich will nicht sterben! Der da ist viel schlimmer als ich!« Er zeigte auf Didier, der wütend nach Albin trat.
»Sei still, du elender Lügner!« Didier prügelte auf den Wehrlosen ein, dass diesem das Blut aus der Nase schoss.
»Genug!«, rief Grivel und riss Didier zurück. »Wir klären das morgen. Du meldest dich zur siebten Stunde bei mir. Und ihr bringt diesen Kerl fort. Ich habe ihn vor gar nicht langer Zeit schon einmal hier oben erwischt und gezüchtigt.« Er überlegte kurz. »Und zwar zusammen mit dir, Didier! Jetzt fällt es mir wieder ein. Vielleicht habt ihr zusammen gestohlen!«
»Nein, Monsieur! Ich bin kein Dieb!«, entrüstete sich Didier. Heute Nacht schien alles schiefzulaufen. Aber Diebstahl würde er sich nicht anhängen lassen.
»Was hattest du denn noch hier zu suchen?«
»Ich war zum Beten unten in der Kapelle, und bei meiner Rückkehr habe ich ihn erwischt.« Es hatte keinen Zweck zu lügen, denn sie würden jeden befragen.
»Nun, das lässt sich alles nachprüfen. Aber das tun wir morgen. Bringt sie in den Kerker, beide!«, befahl Grivel und ging mit den Burschen ins Treppenhaus. Dort rief er einen
der Wachmänner zu Hilfe. Als Didier zwischen den anderen in den Kerker hinunterstieg, konnte er immer noch nicht begreifen, wie es so weit hatte kommen können. Das Amulett baumelte an seinem Gürtel, doch von seinen beschützenden Kräften verspürte er im Moment wenig.
XXIV
Vor Gericht
L uisa stand vor dem Waschtisch in Rossos Bad und wi ckelte sich den Leinenstreifen fest um ihre Brüste. Als es an die Tür klopfte, zuckte sie zusammen.
»Braucht Ihr noch mehr heißes Wasser, Monsieur?«, fragte der Diener hinter der geschlossenen Tür.
Rosso hatte ihn instruiert, dass Luisa in seiner Abwesenheit seine Gemächer bewohnen werde und keine Besucher wünsche. Allein dafür war sie ihm unendlich dankbar. Ohne Armido fühlte sie sich in den beiden Räumen, die sie mit ihrem Bruder teilte, schutzlos. Die jungen Burschen, die unter dem Kammerherrn Grivel arbeiteten, hatten keinen Respekt vor ihr, und besonders Didier war ihr unheimlich. Der Provenzale hatte eine Art, plötzlich irgendwo aufzutauchen, die sie erschreckte. Sein Blick war nicht direkt, sondern scheel. »Nein danke!«, rief sie. »Ich habe alles!«
Die Schritte entfernten sich, und sie atmete durch. Der alte Diener war Rosso ergeben, und trotzdem fürchtete sie in
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