Die Malerin von Fontainebleau
doch sie sind lammfromm.«
Die beiden breitbeinig vor einem Fenster postierten Soldaten grinsten unverschämt. Luisa wandte sich wütend an den bailli , einen Landadligen, der wie eine fette Drohne neben Mallêt saß. Seine Leibesfülle war beachtlich, er füllte den gesamten Armlehnstuhl aus. » Bailli , mein Fresko wartet auf Fertigstellung. Es trocknet, während ich hier meine Zeit verschwende. Ich werde mich beschweren!«
Unter schweren Lidern blickte der bailli sie an. Mit schleppender Stimme sagte er: »Verzeiht, aber Monsieur de Mallêt meinte, dass Ihr uns bei der Aufklärung des Diebstahls von diesem Delinquenten …« Er blätterte in einem Haufen von Dokumenten. »Albin. Also diesem Albin helfen könnt. Besagtem Delinquenten wird das peinliche Verbrechen des Diebstahls zur Last gelegt, auf welches die Todesstrafe steht. Er hat verschiedene Gegenstände aus dem Gästetrakt im Schloss entwendet. Besagte Objekte liegen dort aus.«
Luisa folgte dem Finger des bailli und begriff, dass es sich bei den Sachen auf dem Richtertisch um Diebesgut handelte.
»Erkennt Ihr davon etwas, das Euch gehört?«
»Darf ich?« Sie erhob sich auf das Zeichen des bailli und ging zum Tisch. Albin war fleißig gewesen, das musste sie ihm lassen. Sie sah einen silbernen Kerzenleuchter, Gürtelschnallen, einen Geldbeutel, einige Farbtiegel, denn die Rohmaterialien waren kostbar, ein Brokatwams und eine Perlmuttschatulle.
»Nein, ich sehe nichts, das mir oder meinem Bruder gehört.«
»Wo wir gerade bei dem Thema sind. Wo ist denn Euer Bruder, Luca Paserini?« Guy de Mallêts kalte Augen blickten lauernd.
»Habt Ihr ihm nicht genug angetan? Was geht es Euch an, wo mein Bruder ist? Er ist mit einem Auftrag von Meister Rosso unterwegs«, erwiderte Luisa.
»Das stimmt nicht. Warum lügt Ihr?«
Wütend sah sie Mallêt und die anderen an. »Bin ich hier wegen meines Bruders, oder geht es um den Diebstahl?«
»Er hat recht, Monsieur. Eure privaten Händel sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens«, mischte sich der bailli ein. »Wir sollten vielmehr den Diener Didier befragen, der den Delinquenten erwischt hat. Ihr könnt gehen, Paserini.« Müde wischte er mit den Fingern über die Tischplatte.
»Was ist mit dem Leichnam?«, beharrte Mallêt.
»Das ist ein anderes Verfahren, und seine Aussage dazu ist bereits zu Protokoll genommen worden. Entfernt Euch, Paserini.« Im Gegensatz zu Mallêt war der bailli von der ganzen Angelegenheit sichtlich gelangweilt.
»Ich bin noch nicht fertig mit ihm!«, insistierte Mallêt. Luisa machte einen Schritt rückwärts und drehte sich um. Noch trennten sie einige Meter von der rettenden Tür, und sie atmete bei jedem Schritt, den sie zwischen sich und Mallêt brachte, erleichtert aus. Sie hörte die Männer reden, doch der bailli schien Mallêts Einwände abwiegeln zu können. Zwei Wachleute hatten ihre Lanzen vor der Tür gekreuzt und nahmen sie viel zu langsam zur Seite. Erst als sie im Korridor stand und die Tür hinter ihr geschlossen worden war, nahm sie die Hände von ihrem Gürtel, den sie krampfhaft umklammert hatte. Das Leder war nass von ihrem Angstschweiß, und ihr Herz schlug so laut, dass sie meinte, man könne es noch im Saal hören. Mit wackligen Knien trat sie in den Cour Ovale, wo sich zwei Hunde um eine Ratte stritten.
Warum hatte Guy de Mallêt ausgerechnet auf sie ein Auge geworfen? Würde er ihr wahres Geschlecht kennen, wäre sie nicht länger reizvoll für ihn. Nun aber versuchte er ständig, sie einzuschüchtern in der Hoffnung, dass sie nachgeben werde. Armido hingegen hasste er, weil der ihm Paroli geboten hatte und außerdem Verbindungen mit den
»Armen von Lyon« pflegte. Möglicherweise würde sein Interesse an ihr auch in Hass umschlagen, bekäme er nicht irgendwann, was er sich von ihr versprach. Und dann gnade ihr Gott. Sie rannte an den Hunden vorbei über den Hof. Die Stufen zum Donjon nahm sie mit zwei Sätzen und hätte Thiry, der ihr aus dem königlichen Salon entgegenkam, am liebsten umarmt, so erleichtert war sie, wieder hier sein zu dürfen. »Ist Meister Primaticcio hier?«
»Ja, dort hinten. Was willst du denn von ihm?«, fragte der launische Niederländer.
»Das braucht dich nicht zu interessieren, Thiry.« Sie fand Primaticcio mit einem Stapel Entwürfen unter dem Arm vor einem Kamin stehend. »Meister, verzeiht.«
»Ein Paserini, was verschafft mir das Vergnügen?« Er wandte sich um und ging mit weit ausholenden Schritten durch die
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