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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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halbfertigen Räume. In dem schmalen Raum, in dem die beiden Franzosen am Morgen das Profil des Gesimses stuckiert hatten, blieb der Bologneser stehen und kontrollierte die Ecken.
    »Entschuldigt, Meister, ich dachte nur, vielleicht könnt Ihr meine Hilfe brauchen, wegen der Entwürfe, die mein Bruder ausführen sollte.« Die Idee war ihr spontan gekommen, weil sie nicht wollte, dass Armido seine Arbeit verlor.
    »Ihr habt doch genug Arbeit bei Meister Rosso«, sagte der Künstler, ohne sich umzudrehen.
    »Wegen des Lichtes kann ich nicht mehr als ein Stück Fresko am Tag malen. Am frühen Nachmittag bin ich fertig, dann könnte ich Armidos Arbeit übernehmen. Aber wenn Ihr genügend Männer habt …«
    »Hier laufen zu viele unfähige Leute herum.« Er warf einen ärgerlichen Blick auf die Franzosen, die im nächsten Raum mit dem Bau von Schablonen beschäftigt waren. »Schön, wenn Ihr Euch das zutraut. Ihr seid viel schmächtiger
als Armido. Aber Rosso würde Euch nicht malen lassen, wenn Ihr nicht gut wärt.«
    »Nur eine Bitte ist damit verknüpft.«
    Er hob eine Augenbraue.
    »Gebt meinen Bruder nicht auf! Es sind schwerwiegende Gründe, die ihn seine Arbeit vernachlässigen lassen. Aber ich versichere Euch, dass er zurückkommt und doppelt so hart arbeiten wird!«
    »Eure Fürsprache ehrt Euch, aber ich kann nichts versprechen. Wir werden sehen. Unzuverlässige Männer kann ich nicht gebrauchen.« Seine Miene war hart. »Eh!«, rief er und ließ sie stehen, denn etwas anderes beanspruchte seine Aufmerksamkeit.
    Mit hängenden Schultern ging sie in die Galerie zurück, wo Matteo sie mit Fragen überschüttete. Zu seiner Enttäuschung reagierte sie abweisend. Matteo wusste nichts von Armidos Fehde mit Mallêt, und sie wollte ihm ihre Ängste nicht erklären. Zudem weigerte sie sich kategorisch, zur Hinrichtung zu gehen. So hockten sie schließlich mit ärgerlichen Mienen nebeneinander auf dem Gerüst. »Geh schon und ergötz dich am Leid eines anderen. Ich habe zu arbeiten«, sagte sie zu dem Florentiner.
    »Bloß, weil du dich mit Meister Rosso gut stehst, brauchst du nicht so überheblich zu tun.« Beleidigt stand er auf. »Wirst dich schon noch wundern, es fällt sich hart …«
    Sie ließ den Pinsel sinken. »Matteo, bitte, versuch doch, mich zu verstehen. Ich kann nicht hingehen, weil ich nachher die Arbeit meines Bruders übernehme. Zumindest versuche ich das. Ich habe gerade mit Primaticcio darüber gesprochen.«
    Matteos Miene hellte sich auf. »Du bist doch verrückt! Der haut einfach ab, und du sollst das für ihn ausbügeln. Das würde ich nicht machen!«

    »Ich weiß, dass er dasselbe für mich tun würde, Matteo.« Sie tauchte den Pinsel in gelben Ocker und zog ihn über den feuchten Putz. Das Gefühl war unvergleichlich. Es lohnte sich, für diesen Moment zu leben, das wurde ihr bewusst, während die Haare des Pinsels über die feinkörnige Oberfläche glitten und die Farbe dabei verteilten. Der leicht modrige Geruch des Mörtels, der sich mit dem der Farbe verband, stieg ihr in die Nase, und er war besser als jedes kostbare Duftwässerchen. Sie wurde ruhiger.
    »Na dann, wir sehen uns morgen.« Matteo kletterte die Leiter hinunter.
    Eine Weile hörte sie ihn noch unten die Gerätschaften waschen, dann wurde es still, und sie widmete sich konzentriert dem Fresko.

XXV
    Der Gefangene von Embrun
    Ihr Abtrünnigen, wisst ihr nicht,
dass Freundschaft mit der Welt
Feindschaft mit Gott ist?
Wer der Welt Freund sein will,
der wird Gottes Feind sein.
    Jakobus 4,4
     
     
    A chtens: Beim Gebet braucht man weder Kniefälle noch bestimmte Zeiten, weder das Haupt entblößen noch andere äußere Dinge. Es steht fest, dass der Gottesdienst nur in Geist und Wahrheit geschehen kann. Da Gott Geist ist, muss, wer mit ihm sprechen will, dies im Geist tun. Andere äußere Dinge und das Wort können nur die große Liebe zum Nächsten ausdrücken und beweisen, mit der sich der Mensch zu seinem Gott gewandt hat.« Armido hielt mit dem Zitieren des Glaubensbekenntnisses inne, weil eines der Kinder schrie.
    Gestern Abend war Armido zusammen mit Sidrac in dem Hochgebirgsweiler nördlich von Embrun angekommen. Arnaud hatte sie in aller Frühe zur Stadt hinaus begleitet, und das einsetzende Schneegestöber und ein Bestechungsgeld hatten den Torwächter davon abgehalten, sich lange mit ihnen zu befassen. Das Pferd am Zügel führend waren sie
durch die verschneite Bergwelt gestapft, die von einer rauen Schönheit war, an

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