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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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lispelte stark, drehte und wendete den Silbertaler aber fasziniert hin und her. »Ich hätte den Brief nur direkt dem Kurier geben dürfen, der unten wartet. Wenn ich einen Fehler mache, wird Monsieur Grivel mich schlagen.«

    »Ich muss sowieso hinunter in die Küche, das habe ich doch gesagt. Dort übergebe ich den Brief. Nun geh schon«, scheuchte Didier den Jungen weiter.
    Nur einen blinzelnden Augenaufschlag lang zögerte der Junge, dann siegte das Silber, und er vernachlässigte seine Pflicht und überließ den Brief Didier. Bisher hatte der alte Kammerdiener des italienischen Meisters die Briefe entweder selbst dem Kurier übergeben oder seine Frau geschickt, doch heute hatte er diesen kleinen Bastard beauftragt. Didier erkannte eine Schwachstelle, wenn sie sich ihm bot. Für Bestechlichkeit hatte er eine Nase. Der Bursche mit der Hasenscharte war neu im Schloss und versuchte sich bei allen einzuschmeicheln. Das würde nie gut gehen. Man konnte nur einem Herrn gut dienen und musste wissen, wer seine Feinde waren. Jeder hatte Feinde, auch Diener. Armer, ahnungsloser Bastard. Didier sah sich im Treppenhaus um, doch er war allein. Flink wie ein Wiesel rannte er hinunter in eine der Vorratskammern.
    Durch ein kleines Fenster fiel Licht herein, und entlang den Wänden standen Kisten mit Winteräpfeln. Die Früchte sahen nicht mehr prall und frisch aus, doch ihr Duft erfüllte den ganzen Raum. Didier setzte sich auf ein Fass, in dem in Salz gelegte Gurken und Zwiebeln lagerten, und öffnete vorsichtig das Siegel. Das Risiko war gering, denn er hatte genau beobachtet, dass der junge Paserini beim Meister gewesen war. Sie hatten lange geredet, und dann war der Kammerdiener mit dem Brief erschienen. Nein, er war sich sicher, dass dieser Brief mit dem Verschwinden Armido Paserinis zu tun hatte. Mittlerweile kursierten im Schloss unzählige Gerüchte über den Stukkador. Von Spielschulden, einer Liebschaft und Spionage war die Rede, doch Didier wusste es besser. Der Mann war ein Ketzer.
    Rasch öffnete er den Brief, der an einen gewissen Dufy
in einem Hospital in Chorges adressiert war. Wo zum Teufel lag das? Doch als er die ersten Zeilen las, fiel es ihm ein. Der Ort war in der Dauphiné, nicht weit von Gap nahe Embrun. Der junge Paserini hatte tatsächlich an seinen Bruder geschrieben, und der Meister deckte ihn. Didier schnalzte zufrieden mit der Zunge. Der Inhalt dieses Briefes war mit Sicherheit ein Goldstück wert und würde ihn wieder in die Gunst der Exzellenz heben, die er seit Wochen nicht gesprochen hatte.
    Es war nur eine kurze Nachricht, und der Sinn erschloss sich ihm nicht vollständig. Der junge Paserini wolle an höchster Stelle etwas für seinen Bruder tun, dieser solle abwarten und ihm vertrauen. Didier überlegte, doch er konnte sich keinen Reim darauf machen. Nun, Seine Exzellenz würde das anders sehen, denn dieser Mann kannte die großen Zusammenhänge, die ihm, dem kleinen Diener, stets ein Rätsel bleiben würden.
    Zufrieden faltete Didier den Brief sorgfältig wieder zusammen. Er entzündete einen Kerzenstumpen, der auf dem Fenstersims stand, und erhitzte das Siegelwachs gerade so weit, dass es den Bogen wieder verschloss. Das Siegel war nicht mehr intakt, aber auf den ersten Blick und mit etwas Schmutz war das nicht zu sehen. Didier zog den Brief einmal über den schmutzigen Fußboden und blies überschüssigen Dreck fort. Durch den Korridor und die großen Küchen lief er auf den Hof, wo ein gesatteltes Pferd wartete. Die lederne Tasche hinter dem Sattel und das königliche Wappen verrieten, dass es sich um das Tier eines Eilboten handelte. Suchend sah Didier sich um und entdeckte den Kurier, einen verwegen aussehenden Burschen, beim Schäkern mit einer Magd.
    »He! Wartet Ihr noch auf einen Brief aus dem Schloss?«, rief Didier dem Kurier zu.

    Jener kniff der kichernden Magd die Wange und kam lässig auf Didier zu. »Ja, ganz richtig. Wo ist das Schreiben?«
    »Hier!« Didier drückte ihm den schmutzigen Brief in die Hand.
    Der Kurier runzelte die Augenbrauen. »Was ist denn damit passiert, und wieso hat das so lange gedauert?«
    Bevor er den Umschlag näher betrachten konnte, drückte Didier ihm ebenfalls einen Silbertaler in die Hand. »Bitte, meldet es nicht. Ich habe ihn fallen lassen. Man wird mich auspeitschen, wenn die Herrschaft das erfährt.« Didier machte ein zerknirschtes, unterwürfiges Gesicht.
    Mit den Zähnen prüfte der Kurier die Münze, steckte sie ein und warf Didier

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