Die Malerin von Fontainebleau
die Söhne und Töchter der Hölle durch verschiedene Techniken in die Falle zu locken. Unzählige Vademecums, in denen Inquisitoren ihre Erfahrungen darlegten, hatte er studiert und wusste, wie man die schlauen Heuchler, diese Diener des Teufels, entlarvte, und jedes Mittel war legitim, damit sie ihre widerwärtigen Verbrechen gestanden. »Dann bist du nicht Isabeau Chiout, die man die Kräuterfrau nennt?«
»Doch, die bin ich, aber …«
»Die Kräuterfrau, die Frauen in Not hilft?«, fuhr er sie scharf an.
»Was meint Ihr damit?«
»Das weißt du genau! Zeugen haben unter Eid ausgesagt, dass du mehreren Frauen aus Embrun dabei geholfen hast, ein ungeborenes Kind zu töten!«
»Das ist nicht wahr! Ich sammle Kräuter und habe der einen oder anderen Frau gesagt, wie man sie anwenden kann, aber niemals habe ich getan, was Ihr sagt!«, verteidigte Isabeau sich.
»Wie man die Kräuter anwendet, ist gleichzusetzen mit der Beihilfe zum Kindsmord«, stellte Sampieri fest.
Die Feder des Schreibers kratzte über die Seiten eines großen Prozessbuchs.
»Ihr dreht meine Worte so, wie es Euch passt! Ich habe keiner Frau gesagt, wie sie mit Kräutern ein Kind in ihrem Leib töten kann. Ich habe ihnen erklärt, wie man einen Sud gegen Husten, Breiumschläge bei Fieber, Salben gegen Ausschlag …«
»Genug!«, herrschte Sampieri sie vom Tisch aus an. »Willst du behaupten, die Zeugen haben unter Eid gelogen?«
»Ja! Ich schwöre bei Gott dem Allmächtigen, dass ich nie etwas Unrechtes getan habe!«, rief die tapfere Isabeau.
Der Erzbischof neigte sich Sampieri zu. »Vielleicht täuscht Ihr Euch. Sie ist sehr überzeugend.«
»Ihr versteht das Prinzip des Inquisitionsverfahrens nicht. Es ist nicht meine Aufgabe, die Unschuld des Angeklagten zu beweisen, sondern ich sammle Beweise für seine Schuld.« Seine Erklärung wurde von Isabeau unterbrochen.
»Wer sind die Denunzianten, die mich beschuldigen? Ich will sie sehen, und dann sollen sie ihre Verleumdungen vor meinem Angesicht wiederholen!«
»Mäßige dich. Zeugen genießen den Schutz der Anonymität.« Der Monsignore wandte sich an den Qualifikator. »Hegt Ihr Zweifel an der Schuld der Delinquentin?«
Der Dominikaner, ein Mann jenseits der vierzig, dessen Wangen traurig herunterhingen und seinem Gesicht einen gelangweilten Ausdruck verliehen, versteckte die Hände in den Ärmeln seines Skapuliers. »Keinesfalls, Monsignore. Die Fakten sind eindeutig. Sie lebt in einer Gemeinschaft von Häretikern, gibt sich der Magie und der Heilkunde hin, was an sich schon ausreicht, um sie auf den Scheiterhaufen zu bringen, und wir haben glaubhafte Zeugen.«
Die schwere Kerkertür ging auf, und der junge Dominikaner kam in Begleitung eines muskulösen Mannes herein, dessen unbewegliche Miene durch über der Nase zusammengewachsene Augenbrauen zusätzlich verfinstert wurde.
»Ihr seid ein Haufen von Lügnern und Feiglingen!«, schrie Isabeau verzweifelt unter Aufbringung aller Kräfte. »Ihr versteckt euch hinter eurem Priesterrock und betreibt Unzucht und Völlerei, dass es eine Schande ist! Und solches Geschmeiß wirft sich zum Richter auf über uns, deren einzige Sünde es ist, dass wir die Bibel lesen und verstehen und uns nicht von euren schmutzigen Röcken einschüchtern …«
Weiter kam sie nicht, denn Sampieri war aufgestanden und hatte dem neuen Folterknecht mit wutverzerrter Miene ein Zeichen gegeben, woraufhin dieser Isabeau packte, ihr mit seiner Pranke den Mund zuhielt und sie brutal auf die dornige Streckbank zurückwarf. Mit geübtem Griff nahm er das Tuch, das sie bedeckt hatte, knüllte ein Ende zusammen und stopfte es ihr in den Mund. Dann warf er ihre Arme nach hinten, befestigte die Fesseln an der Schlaufe des Rades und drehte es so weit, dass ihr Körper sich spannte, sie aber bei Bewusstsein blieb.
Lévis de Château-Morand drehte an seinem goldenen Erzbischofring und murmelte: »Woher wissen diese Leute so viel …«
Guillaume nahm einen Kerzenstumpen und hielt die Flamme durch einen Freiraum der Streckbank an Isabeaus Haut. Sie bäumte sich auf und weinte.
»Das wird dich lehren, dieses ehrwürdige Gericht zu beleidigen!«, meinte Sampieri trocken. »Bist du nun willens, auf unsere Fragen zu antworten?« Er nickte Guillaume zu, der das Rad so drehte, dass sich die Frau etwas entspannen konnte, und nahm ihr den Knebel aus dem Mund.
»Ja«, schluchzte die Kräuterfrau.
»Ist es wahr, dass du in einem Verband mit Leuten lebst, die man als
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