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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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kein Vatermörder!«, wehrte sich Henri. »Ihr geht zu weit, Monsieur!«
    Der andere Mann hob den Kopf, und Didier erkannte die scharfen Gesichtszüge des Comte de Mallêt. Was für eine durchtriebene Sippe diese Mallêts doch waren!
    »Ah, Ihr missversteht mich, Verehrtester«, sagte Mallêt eifrig. »Mein Sohn hat mir von der Begnadigung eines Ketzers berichtet, der hier in Fontainebleau als Handwerker tätig ist. Das ist ein Skandal! Mir geht es nur darum, die religiöse
Ordnung, die schließlich Rückgrat und Stütze des Staates ist, aufrechtzuerhalten. Ich spreche für die Konservativen, wenn ich mir mehr Unterstützung von Seiner Majestät in dieser Sache wünsche.«
    »Katharina hat mir von diesem Fall berichtet, und es scheint, dass zumindest dieser eine Mann zu Unrecht verurteilt wurde. Mein Vater ist äußerst großzügig, was die Künstler betrifft, die er aus dem Ausland kommen lässt.« Henri schien ungeduldig zu werden. »Letztlich ist es nur ein unwichtiger Handwerker.«
    »Sehr richtig, doch umso wichtiger erscheint es mir, dass solche ketzerischen Auswüchse im Keim erstickt werden, damit sie keine Schule machen können. Das Volk ist empfänglich für die teuflischen Verlockungen der Protestanten. Mein Sohn ist im Kampf gegen die Häretiker besonders erfolgreich.«
    »Verstehe. Comte, ich werde an Euren Sohn denken, wenn es um die Verteilung von Abtswürden und Pfründen geht. Womöglich haben wir sogar einen Bischofssitz, der eines würdigen Amtsträgers bedarf«, sagte Henri und steuerte den Ausgang des Gartens an.
    »Ihr könnt auf die Loyalität unserer Familie zählen.«
    Didier rutschte mit einem Schuh von der bemoosten Mauer und landete rücklings im Gras. Dieser Ausflug hatte sich gelohnt.
    »Was ist mit meinem Silberling?«
    Didier stand auf, klopfte sich Gras von seinem Wams und sagte verächtlich: »Wofür?«
    Die Dicke richtete ihr Dekolleté. »Nun, die Zofe hat auch erzählt, dass dieser Künstler zum zweiten Mal gefangen wurde, in Embrun. Aber seinem Bruder ist es wohl gelungen, eine Begnadigung bei Seiner Majestät zu erwirken, und so ist er dem Scheiterhaufen entkommen.«

    »Und, wo ist er jetzt?«
    »Tot. Ermordet.« Sie streckte die Hand aus.
    »Das allein ist keinen Silberling wert.«
    »Aber was ist, wenn er von den Leuten ermordet wurde, die ihn lieber hätten brennen sehen?«, fragte sie leise.
    »Ach? Du meinst, der Erzbischof von Embrun hat ihn ermorden lassen? Aus Rache?«
    Schulterzucken war die Antwort. »Das habe ich läuten hören.« Beharrlich hielt sie ihm die geöffnete Hand hin.
    »Na schön.« Er gab ihr das versprochene Geldstück. »Und jetzt verschwinde!«
    Die Dienerin stapfte davon, und Didier strich prüfend über sein Wams, unter dem der Brief knisterte, den er seit drei Wochen stets bei sich trug und hütete wie seinen Augapfel. Es war purer Zufall gewesen, dass er zugegen war, als Bec, dieser hässliche Trottel, den Kurier entlohnte und den Brief auf einem Tablett nach oben bringen wollte. Alle nannten den Burschen mit der Hasenscharte nur Bec, ein Kürzel von bec-de-lièvre , seiner Missbildung. Der Brief war an Meister Rosso adressiert und kam aus Südfrankreich, was sofort seine Aufmerksamkeit erregt hatte, denn das bedeutete Nachrichten aus dem Umkreis des Hofes. Das Schreiben trug nicht das königliche Siegel, sondern stammte vom venezianischen Botschafter. Und er hatte sofort messerscharf kombiniert. Die Paserini waren Italiener, genau wie der Botschafter, und er hatte sie bei einigen Gelegenheiten die Köpfe zusammenstecken sehen. Und glücklicherweise hatte sich der Brief als noch interessanter erwiesen, als er gedacht hatte. Sehr viel interessanter.
    Didier grinste und machte sich auf den Weg zur Schlosskapelle, wo man ihn erwartete. Beschwingt von den Möglichkeiten, die sich ihm plötzlich zu eröffnen schienen, ging er über den dunklen Hof. Einen Diener beachtete kaum jemand.
Gesinde war nichts weiter als ein notwendiges Übel, das gefüttert und bezahlt werden musste, damit die Aristokratie in Saus und Braus leben konnte. Wer achtete schon auf die Schatten, die für die Annehmlichkeiten sorgten, derer sich die Reichen tagtäglich erfreuten. Aber damit war es vorbei, wenn er schlau vorging. Und mit diesem Brief konnte er zwei Parteien gegeneinander ausspielen. Das würde zwar dem Tanz auf der Klinge eines Damaszenerschwertes gleichkommen, aber wenn sein Plan aufging, war er ein gemachter Mann und konnte dem Hof den Rücken kehren.
    Es war

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