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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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Verärgert schwieg er.
    »Nun, mein guter Thiry, ich will es Euch sagen – zur Darstellung des Jungbrunnens gehört die verlorene Jugend und damit das Alter. Aber ich sehe keine alten Menschen!« Mit einer dramatischen Geste deutete er auf das halbfertige Fresko. »Ich wollte morgen die junge Frau und den Esel malen, aber wo bitte sind die alten Leute?«
    »Aber da stehen sie doch, neben dem Adler, genau, wie
Ihr es gezeichnet habt!«, murrte Thiry, und alle Augen begutachteten die drei Figuren, die sich in gebeugter Haltung auf Stöcke stützten.
    Rosso lächelte geduldig. »Die Figuren sind nach meinem Entwurf gemalt, aber ich sehe nur Menschen mit Linien im Gesicht. Das Inkarnat ist das von jungen Menschen! Es ist viel zu rosig! Welche Farbe hast du verwendet?«
    »Terra Rossa, aber …«, setzte Thiry zu einer Erklärung an, wurde jedoch von Rosso unterbrochen.
    »Alte Männer und Frauen werden mit Terra Gialla Abbrucciata gemalt. Gelbe Erde zu brennen, um diesen Farbton herzustellen, ist aufwendig, aber der Effekt ist unübertrefflich. Ich will, dass Ihr diesen Teil erneuert. Der Adler kann bleiben.« Ohne dem weiter beleidigt auf das Bild starrenden Thiry noch einen Blick zu schenken, stieg Rosso die Leiter hinunter, ließ sich von Pellegrino seinen Mantel umlegen und schritt die Galerie der Länge nach ab. Schließlich drehte er sich schwungvoll um und breitete die Arme aus. »Seine Majestät wird zufrieden mit uns sein!«
    Handwerker und Künstler murmelten zustimmend und wandten sich wieder ihren Projekten zu, während die Hofdamen begeisterte Schreie ausstießen und klatschten. Die in Fontainebleau verbliebenen Hofdamen und ihre Zofen waren von ausgesuchter Schönheit, wofür Armido dem französischen König täglich dankte. Franz hatte eine Vorliebe für alles Schöne und war ein Ästhet, Genießer und Kunstkenner. Darüber hinaus war er belesen und an allen neuen Errungenschaften der Wissenschaft interessiert. Auch wenn der König ständig auf Reisen oder im Krieg war, Fontainebleau war sein Lieblingsschloss, und die Sorgfalt, die er der Neugestaltung des Anwesens angedeihen ließ, zeigte sich in jedem Detail. Gedankenverloren sah Armido dem Meister zu, wie er sich charmant mit den Hofdamen unterhielt, und
bewunderte eben den zarten Schwung eines Nackens, als er unsanft von Thiry zur Seite gestoßen wurde.
    »Terra Gialla Abbrucciata …« Der Niederländer spuckte verächtlich aus. »Ich habe schon viele Fresken gemalt und immer mit Terra Rossa gearbeitet!«
    »Tja, man lernt nie aus, nicht wahr? In Rom …«
    »Halt den Mund und geh mir aus dem Weg!« Wütend riss Thiry Hammer und Meißel von seinem Werktisch, kletterte auf das Gerüst und begann den noch feuchten Putz von der Wand zu schlagen.
    Armido hatte ein wenig Mitleid mit ihm, und doch war Rossos Beobachtung richtig – den Alten in dem Fresko fehlte das Grünstichige, das der Haut die typische Altersfarbe verlieh. Doch das sollte seine Sorge nicht sein. Auf ihn warteten weitere Entwürfe zu Rahmungen mit Putti und floralem Beiwerk, deren Herstellung aufwendig war, weil er für jede Figur eine neue Form anfertigen musste. Rosso hatte für jedes der sich gegenüberliegenden Freskenpaare individuelle Stuckelemente entworfen.
    »Bis später, Scibec.« Armido klopfte seinem Freund, der grübelnd vor der Paneele stand, auf die Schulter und verließ die Galerie durch eine der bodentiefen Fensteröffnungen. Die Werkstatt der Stuckateure war in einem eigens dafür errichteten Schuppen untergebracht, nicht weit vom Pavillon des Armes entfernt. Während Armido über den sandigen Hof ging, dachte er jedoch nicht nur an die noch ausstehenden Arbeiten, sondern auch an Olivétans Bibel, die er in seinem Zimmer im Schloss versteckt hatte, und an die meergrünen Augen von Aleyd, für die er zum neuen Glauben übertreten wollte.

V
    Monsignor Sampieri und die Gebrüder Lavbruch
    E s war trocken, aber ein kalter Wind wehte von den Bergen herunter, und Luisa fühlte ihre Hände kaum noch. Die Tragriemen des Bücherbündels von Monsignor Sampieri schnitten ihr tief in die Haut. Den Viertelscudo musste sie sich hart verdienen, der Diener Gottes verschenkte nichts. Als Schutz gegen die immer strenger werdende Kälte hatte sie sich ihren Schal um Hut und Hals geschlungen und ihn vorn über die Nase gezogen. So tränten ihre Augen zwar noch vom Wind, doch ihre Lippen platzten nicht weiter auf. »O Armido. Wenn du wüsstest, was ich auf mich genommen habe. Schick mich

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