Die Malerin von Fontainebleau
selbstgefälliger Manier deklamieren hörte: » Abrenuntio tibi, Satana, et conjungo tibi, Deus. Et Verbum caro factum est et habitavit in nobis …«
Peter Lavbruch hatte keineswegs untertrieben, der Weg zum Passo della Cisa wurde auf dem letzten Abschnitt so steil, dass sie sich bei jedem Schritt nach vorn legen musste. Mit jedem Höhenmeter wurde es kälter, und da sie seit dem Morgen nichts gegessen hatte, verließen Luisa langsam ihre Kräfte. »Rutilio! Machen wir denn keine Pause?«, keuchte sie. Ihre Füße schmerzten, weil sich an einigen Stellen spitze Steine durch die Ledersohlen gebohrt hatten.
Der Bursche des Monsignore hatte selbst mit seinem Gepäck zu kämpfen und schüttelte nur stumm den Kopf. Zwei weitere Stunden vergingen, die Luisa endlos lang erschienen. Immer wieder wanderte ihr Blick zum Himmel, an dem sich graue Wolken zusammenzogen. Wenn es anfing zu regnen, würde der Aufstieg noch gefährlicher, denn die unbefestigten Pfade brachen auch trocken unter ihren Tritten weg. Mit nassen Schuhen hätten sie noch weniger Halt. Ein einzelner entlaubter Baum hatte sich mit seinen Wurzeln zwischen den Felsen festgeklammert. Die Berghänge fielen dramatisch ins Tal und boten eine spektakuläre Aussicht, deren Schönheit Luisa jedoch nicht wahrnahm, zu sehr konzentrierte sie sich auf das Geröll vor ihr.
»Da oben ist es!«, rief Rutilio plötzlich.
Luisa schreckte auf, verlor das Gleichgewicht und wäre gefallen, wenn Peter nicht dicht hinter ihr gewesen wäre und sie gepackt hätte. Für Sekunden spürte sie seine Hände auf
ihren Brüsten, die sie zwar abgebunden und unter Hemd, Weste und Wams versteckt hatte, doch würde ein Mann sich täuschen lassen?
»Eh, du musst besser aufpassen! Brichst dir sonst die Beine, Bürschchen!« Lachend gab er ihr einen sanften Schubs.
Luisa drehte sich erschrocken um, doch Lavbruch nickte nur und bedeutete ihr weiterzugehen. Nach wenigen Metern, die ihre letzten Kraftreserven forderten, erreichten sie endlich den höchsten Punkt des Bergmassivs. Samuel Katz und sein Begleiter standen wartend neben einem kleinen Häuschen, das sich an die Felswand schmiegte. Das Haus diente als Notunterkunft, war aber unbewohnt. Die Träger des Monsignore saßen auf Steinen und Kisten und aßen Käse und Brot. Einer holte ein Stück Dörrfleisch heraus und ließ die anderen davon abschneiden. Luisa musste so hungrig auf die einfache Nahrung gestarrt haben, dass einer ihr sein Brot hinhielt. »Da, nimm!«
»Danke!« Gierig schlang sie das trockene Brot hinunter und nahm erst dann das Gepäck von den Schultern. Ihre Finger zitterten vor Schmerz und Kälte, während sie sich am Ende ihrer Kraft auf den Boden gleiten ließ. Die Pause währte jedoch nicht lange, denn es war bereits nach Mittag, und sie mussten ihr Nachtquartier, ein Gasthaus am Fuße des Bergmassivs, vor dem Abend erreichen.
Die Träger verstauten die Reste ihrer Brotzeit und zeigten auf die dunklen Wolken. »Auf! Gleich gibt es Regen, und der Wind wird heftiger.«
Wie zur Bestätigung fegte eine Böe durch den Pass und trieb die kleine Gruppe zur Eile an. Rutilio stand in eine Unterhaltung vertieft beim Monsignore, Katz und sein Begleiter hielten sich wie immer abseits, als Peter zu ihr trat und ihr einen Beutel Wein und ein Stück Schinken reichte. »Nimm. Wir haben genug dabei.«
Sie war zu hungrig, um das Angebot auszuschlagen, und der Wein wärmte ihre Glieder von innen. Der Saitenmacher wartete, bis sie genug hatte und ihm den Weinbeutel zurückgab. »Besten Dank, Signor Lavbruch.«
»Luca, das ist doch dein Name?« Er lächelte, doch seine Augen blieben ernst.
Sie nickte, vermied seinen Blick und wickelte sich den Schal wieder um das Gesicht.
Er wollte noch etwas sagen, doch Rutilio rief zum Aufbruch. Die Träger hoben den Tragstuhl mit Monsignor Sampieri auf und setzten sich in Bewegung. Der Abstieg war kaum weniger beschwerlich, weil es nach wenigen Metern zu regnen begann, der Boden aufweichte und das Geröll ins Rutschen kam. Zumindest wurde die kleine Reisegruppe nicht von Wegelagerern heimgesucht, die sich zuhauf vor allem in der Garfagnana und den Gebirgszügen des Apennins herumtrieben, wo die teils abgeschiedenen Täler guten Schutz vor Verfolgern boten.
Der Regen peitschte den Reisenden jetzt in die verfrorenen Gesichter, und als Luisa nach drei Stunden die Lichter der Herberge erblickte, schickte sie ein stummes Dankgebet zum Himmel.
Es handelte sich um ein solides, aus Feldsteinen
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