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Die Malerin von Fontainebleau

Die Malerin von Fontainebleau

Titel: Die Malerin von Fontainebleau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilken Constanze
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verlassene Tierlager, hob gleich darauf den Kopf und rief: »Keine fünf Minuten!«
    Er gab dem weiter entfernt wartenden Jäger mit dem Leithund ein Zeichen, und die beiden rannten los, gefolgt von den anderen Jägern mit der Hundemeute. Die Augen des Königs leuchteten, und er ritt, als wäre er mit seinem Pferd verwachsen. Rosso trabte neben dem König her. Wie stets waren außer den Höflingen auch mehrere Bewaffnete und berittene Jäger im Umkreis des Königs zu finden.
    »Hat der König Angst vor einem Überfall?«, fragte Luisa. Sie drehte sich um, konnte ihren Bruder jedoch nirgends mehr entdecken.
    Dafür lenkte Mallêt sein Pferd zu ihr. »Wie gefällt Euch die Jagd, junger Paserini?«
    Luisa kniff die Lippen zusammen.
    »Warum so schweigsam? Mein Sohn sendet Euch seine Empfehlung. Womit Ihr seine Aufmerksamkeit verdient habt, weiß ich nicht.«
    Seine Arroganz war ekelerregend. »Danke, aber ich brauche seine Empfehlung nicht.«
    »Genauso störrisch und hochnäsig wie Euer Bruder. Ihr seid noch sehr jung, aber lasst Euch einen Rat geben – das Leben ist ein fragiles Ding. Wie leicht passiert etwas, das man nicht vorhersehen konnte, und …« Er schüttelte mitleidig
den Kopf und fixierte sie mit undurchdringlichen grauen Augen. Er löste die Halterung seiner Armbrust und nahm die Waffe in die Hände.
    Luisa erstarrte. Wollte er sie hier erschießen? Sie hatte ihm nichts getan, und wimmelte es hier nicht von Zeugen? Allerdings verteilten sich die Jäger und Edlen zwischen den Bäumen, und ein Jagdunfall war keine Seltenheit.
    »Sehe ich eine Taube?« Seine Worte troffen vor Sarkasmus. Er hielt die Waffe in ihre Richtung. Die Armbrust war gespannt. Ein Ruck, ein Zucken seiner Hand, und alles wäre vorbei.
    »Tut das nicht …« Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. Plötzlich klickte es, und ein Pfeil zischte mit Wucht aus der Armbrust. Sie warf sich zur Seite und wäre dabei fast vom Pferd gefallen. Doch dann hörte sie Mallêts Lachen. Ein Vogel schrie, Hunde kläfften, und etwas prallte dumpf auf den Waldboden auf.
    »Ihr seid sehr schreckhaft! Eh, Bursche, hol die Taube!«
    Einer der Hunde apportierte die Beute, und ein Jagdpage kam mit der vom Pfeil durchbohrten Taube zu Mallêt. »Bitte, Monsieur.«
    Blut sickerte durch das grauweiße Gefieder und tropfte auf den Boden. Mit roher Geste riss Mallêt den Pfeil aus dem toten Körper und warf ihn den Hunden zum Fraß vor.
    Luisa drehte sich der Magen um. Es ging nicht um das erlegte Tier. Sie wusste, dass Mallêts Demonstration seiner Treffsicherheit eine Warnung war, eine Botschaft, die sie nur zu gut verstanden hatte. Sie riss sich zusammen. »Bravo! Wahrlich ein guter Schuss, Monsieur, auch wenn das Tier sicher keine Herausforderung für Euch war, schwach und langsam, wie Tauben sind.«
    »Täuscht Euch nicht, Monsieur Paserini. Das plumpe Äußere ist nur Tarnung. Ich habe sie getroffen, weil sie einen
Moment lang unaufmerksam war.« Er beobachtete die Hunde, die den Vogel in wenigen Minuten in Stücke gerissen und gefressen hatten.
    Inzwischen war sie mit ihrer männlichen Rolle derart verwachsen, dass sie die Anrede als natürlich empfand, auch wenn das Leben als Mann weitaus gefährlicher schien als das Dasein einer Frau. Aber da mochte sie sich täuschen, denn weder Scheiterhaufen noch Hofintrigen machten Halt vor weiblichen Opfern. Seufzend ergriff Luisa die Zügel und machte sich auf die Suche nach Armido, der in ein Gespräch mit Giustiniani verwickelt war und ihr nun zuwinkte. »Entschuldigt, Monsieur, mein Bruder.«
    »Ah, da ist ja auch der ältere Paserini. Wo hat er denn gesteckt, Euer Bruder?« Mallêt wendete ebenfalls sein Pferd und folgte ihr.
    Als Armido Mallêt sah, zog er die Augenbrauen zusammen. »Was wollt Ihr von … von meinem Bruder? Reicht es nicht, dass Euer Sohn sich fast an ihm vergangen hätte?«
    »Macht Euch nicht lächerlich! Mein Sohn hat die Weihen der Dominikaner empfangen. Er lebt das Zölibat, und jeder, der das Gegenteil behauptet, ist ein Lügner!« Mallêt drängte sein Pferd dicht an das Armidos. Den blutigen Pfeil, den er noch immer in der Hand hielt, wischte er an seinen Hosen ab und steckte ihn in den Gürtel. Die Armbrust hatte er wieder auf dem Rücken befestigt.
    Stumm schüttelte Luisa den Kopf und suchte Armidos Blick. Bitte, dachte sie, lass dich nicht provozieren, nicht meinetwegen. Darauf wartet dieser hinterhältige Mistkerl nur.
    Am liebsten hätte Armido diese Unverschämtheit mit einem

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