Die Malerin von Fontainebleau
einem Spiegel begegnete ihr eine Phantasiegestalt, deren androgyne Erscheinung ihr gefiel. An diesem Abend verkörperte sie eine von Rossos mystischen Figuren aus der Galerie von Fontainebleau.
Diener in dunkelblauen Livreen, bestickt mit dem goldenen Salamander des Königs, liefen mit Weinkrügen und Schüsseln an ihr vorbei und machten ihr Platz. Heute Abend stand sie auf der anderen Seite. Ihre Nervosität legte sich mit jedem Schritt, mit dem sie sich den flanierenden Gästen näherte. Gold, Blau und Grün waren die vorherrschenden Farben. Der rote Hut des Kardinals stach aus der flirrenden Menge heraus wie ein Blutstropfen auf einem weißen Laken. Jean de Mallêt musterte die Gäste. Unruhig sah sich Luisa immer wieder um, doch Armido blieb verschwunden. Ihre Angst wuchs, doch sie konnte nichts tun, weil er sie nicht in seine Pläne eingeweiht hatte.
Ein Zeremonienmeister kündigte die hochrangigen Gäste an, die Franz mit einem Nicken von seinem Thron aus begrüßte. Obwohl der König von Frankreich der Herr des Festes war, schien er mehr ein jovialer Gastgeber denn ein huldvoller Fürst, der die Gegenwart seiner Freunde genoss. Neben ihm stand Henri, sein zweiter Sohn und seit dem Tod des Dauphins
Thronfolger. Er sah Franz ähnlich, aber auf eine Art, die ihn zu einer plumpem Kopie des geistvollen Herrschers machte. Er hatte weder die Intelligenz noch die Nonchalance seines Vaters geerbt. Die junge Frau, die auf einem gepolsterten Stuhl neben Henri saß, musste seine Gattin Katharina de Medici sein. Sie war nicht schön, doch schlank und elegant, und ihre Augen leuchteten. Hin und wieder wechselte sie ein Wort mit dem König, und beide lachten, was Henri missmutig zur Kenntnis nahm. Seine blutjunge Gattin interessierte ihn offensichtlich nicht. Vielmehr schien er von einer Frau fasziniert, die in einer Gruppe adliger Gäste stand.
Der äußerst edle Schnitt ihres schlichten schwarzen Kleides betonte einen langen Hals und ein makelloses Dekolleté. Kopf und Hände waren zierlich, das ebenmäßige Gesicht mit einem leicht verkniffenen Mund zeugte von kühler, strenger Schönheit. Gebannt betrachtete Luisa die widersprüchlichen Charaktere, die sich um den König scharten, und fragte sich, wer zu welcher Partei gehörte. Rosso und Pellegrino standen in der Nähe von Madame d’Étampes und ihren Damen, die trotz der Masken unverkennbar waren. Ihre Fröhlichkeit und temperamentvolle Schönheit standen ganz im Gegensatz zur blutleeren Ästhetik der strengen Schwarzgekleideten.
Jemand berührte sie leicht an der Schulter. Erleichtert wandte sie sich zu Francesco Scibec de Carpi um. Es tat gut, sich in ihrer Muttersprache mit einem vertrauten Menschen unterhalten zu können. »Ah, wie ich sehe, hast du die unnahbare Diane de Poitiers bereits entdeckt. Sie kommt mir vor wie eine Spinne, eine schwarze Witwe, die hier am Hof ihr klebriges Netz auslegt und darauf wartet, bis sich ihre hilflosen Opfer darin verfangen, damit sie sie aussaugen kann.«
»Francesco, das klingt furchtbar. Vielleicht ist sie gar nicht so. Sie ist sehr schön«, stellte Luisa fest.
»Schönheit und Boshaftigkeit schließen sich nicht aus. Franz selbst hat Diane auf seinen Sohn angesetzt, damit sie ihn unter ihre Fittiche nimmt. Henri ist keine Leuchte, und ihm fehlt gesellschaftlicher Schliff. Aber man munkelt bereits, dass der König schon bedauert, ihr seinen Sohn in die Hände gespielt zu haben. Seitdem lässt Henri seine Gattin, unsere wirklich vortreffliche Landsmännin Katharina, links liegen.«
»Was du alles weißt …«
»Dein Kostüm ist recht exzentrisch, Luca. Du scheinst wie eines dieser geschlechtslosen Fabelwesen, wie soll ich es formulieren – geheimnisvoll trifft es vielleicht am ehesten, und der Abend hat erst begonnen …« Er zwinkerte ihr zu, doch dann wurde ihre Aufmerksamkeit vom Zeremonienmeister gefordert, der die Spielregeln des Abends diktierte.
Während die Hofgesellschaft sich am verschwenderisch gedeckten Bankett labte, beobachtete Luisa und ließ sich von der ausgelassenen Stimmung mitreißen. Der kräftige Wein tat ein Übriges. Für diesen einen Abend wollte sie alle ihre Sorgen hinter sich lassen, ihre Rolle vergessen, aus der Haut des scheuen Luca schlüpfen und eines dieser flamboyanten Wesen sein, die sich im Takt der Musik wiegten, lachten, flirteten und kokettierten. Eine Schauspielertruppe stellte verschiedene Allegorien dar, die mit dem Leben des Königs in Verbindung standen. Luisa wusste
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