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Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition)

Titel: Die Manon Lescaut von Turdej (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wsewolod Petrow
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Ausstrahlung«, sagte ich.
    Vera antwortete mir nicht mehr und starrte ins Feuer.
    »Ich gehe schlafen«, sagte ich und stieg auf die Pritsche.
    Vera blieb allein. Ich konnte lange nicht einschlafen und schaute, wie Vera mit traurigem Gesicht vor dem Feuer saß. Auch sie mußte eine Entscheidung treffen.
XV.  Am Morgen kamen wir in O*** an und hielten wieder auf einem Reserveplatz zwischen einander gleichen, langen Zügen auf Abstellgleisen. In der Umgebung gab es kein Bäumchen, keinen Strauch, als ob alles verbrannt wäre; es war nirgendwo ein Dorf zu sehen.
    Alles wird zu einer Abstraktion, wenn die Handlung
ohne Kulisse erfolgt,
dachte ich.
    »Ein selten trister, freudloser Ort«, sagte Nina Aleksejewna. »Man hat nicht einmal Lust auf einen Spaziergang.«
    »Ich gehe mal schauen, ob es hier ein Telegrafenamt gibt«, sagte ich.
    »Schicken Sie für mich bitte ein Telegramm ab«, sagte Vera und gab mir ein Blatt Papier. Da stand geschrieben: »Warten Sie auf mich am Bahnhof. Ich komme in zehn Minuten.«
    Aslamasjan und Nina Aleksejewna schmunzelten. Levit und die Hauptmännin quakten. Galopowa piepste.
    »Ich schicke das Telegramm sehr gerne für Sie ab«, sagte ich ernst zu Vera.
    Unmittelbar hinter dem zerstörten Bahnhof begann ein leeres, grenzenloses Schneefeld. Auf ihm verirrten sich hie und da undeutliche schwarze Punkte, es konnten Menschen sein oder auch Vögel. Als wir weggingen, verschwand auch der Bahnhof hinter den Schneehügeln. Durch das Feld führte ein pittoresker Pfad.
    »Sie sind irgendwie anders geworden, Verotschka«, sagte ich. »Sie sind jetzt nicht mehr so lebhaft, wie Sie früher waren.«
    »Das ist, weil ich bei Ihnen bin«, antwortete Vera.
    »Ich will doch gar nicht, daß Sie sich unter der Pritsche langweilen«, sagte ich. »Wissen Sie noch, wie Sie früher als erste aus dem Waggon heraussprangen und, wer weiß, wohin, verschwanden? Und jetzt gehen Sie nicht einmal mehr zu Tanzabenden.«
    »Sie werden auch schlecht von mir denken, wenn ich wieder verschwinde«, sagte Vera.
    »Nein, werde ich nicht«, sagte ich. »Ich finde alles, was Sie tun, nett.« (
Ich werde Sie trotzdem lieben,
wollte ich sagen, hatte mich aber erinnert, daß das Thema Liebe tabu war.) »Sie müssen all das tun, was in Ihrer Natur liegt«, sagte ich.
    »Sie denken wahrscheinlich, daß alle möglichen ekelhaften Dinge in meiner Natur liegen«, antwortete Vera. »Aber wissen Sie, wohin ich verschwunden war? Wissen Sie noch, wie ich mit der Dampflok ankam? Ich hatte damals im Feld ein Holzhäuschen gesehen. Es war so hübsch weiß, und ich wollte bis dorthin kommen. Dann schaute ich zurück, und der Zug war schon weg. Ich bin aber doch bis dorthin gekommen. Das ist immer so mit mir: Ich gehe hinaus und gehe einfach weiter und weiß selber nicht, wohin. Oder ich beginne auf einmal zu weinen und weiß wieder nicht, weswegen. Und sonst habe ich nichts«, sagte Vera so aufrichtig, daß sie sich wohl selbst glaubte, und Tränen standen ihr in den Augen.
    »Das bedeutet, daß Sie Ihre eigenen Wünsche nicht verstehen. Sie träumen, aber Sie selbst wissen wahrscheinlich nicht, wovon«, sagte ich.
    »Ich will für immer bei Ihnen bleiben«, antwortete Vera.
    Ich nahm ihre Hand und schwieg, weil das Thema Liebe tabu war.
    »Ich weiß selber nicht, was mit mir ist«, sagte Vera. »Zuerst fand ich es komisch, wie Sie sprachen und irgendwie nach Atem rangen. Aber ich wollte von Anfang an bei Ihnen sein. Ich spüre, daß etwas passieren wird, aber ich kann nicht begreifen, was. Ich will, daß Sie mich wieder so ansehen wie früher und daß Sie mir sagen, daß Sie mich lieben.«
    »Ich werde es sagen, und Sie werden nur schweigen, Verotschka«, sagte ich. »Und dann werden Sie mit Rosaj weglaufen?« fragte ich leise und umarmte sie für eine Sekunde.
    »Ich werde Ihnen nie, nie weh tun«, sagte Vera und umarmte mich ebenfalls.
    Ich befreite mich.
    »Wissen Sie, Verotschka, ich werde nicht schlecht von Ihnen denken, egal, was Sie tun werden«, sagte ich.
    »Nein, ich will aber, daß Sie mich lieben«, sagte Vera und küßte mich hastig.
    Verotschka, ist es etwa möglich, noch stärker zu lieben?
hätte ich beinahe gesagt, merkte aber, daß jemand zu uns kam, und richtete mich auf.
    »Verzeihen Sie bitte, wir haben Sie gestört, wie es scheint«, sagte Nina Aleksejewna, während sie sich uns in Begleitung von Aslamasjan näherte. »Aber sie sagten dort, daß der Zug gleich fahren wird, also mußten wir Sie suchen gehen.«
    »Wie

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