Die Maori-Prinzessin
sich an mich. Ich stehe in Ihrer Schuld!«, fügte sie beschwörend hinzu.
»Ja gern, Misses Bold«, erwiderte Stella gerührt.
»Sagen Sie in Zukunft einfach nur Lucie.«
Stella sah Lucie zweifelnd an. »Ich glaube, ich möchte Sie lieber weiter Misses Bold nennen. Sehen Sie, was wird Ihr Mann dazu sagen und vor allem Mary, die sicherlich ohnehin nicht so begeistert von der Aussicht sein wird, in Zukunft den Haushalt allein zu machen?«
»Einigen wir uns auf Misses Lucie. Und was meinen Mann angeht, dem werde ich reinen Wein einschenken über das, was sich gerade zwischen uns beiden ereignet hat. Und Mary beschwichtigten wir mit einer neuen Haushaltshilfe.«
»Sie sind eine kluge Frau, Misses B …, ich wollte natürlich sagen, Misses Lucie«, lachte Stella.
»Gut, dann darf ich Sie jetzt bitten, Tommy von meiner Schwester und Joanne aus den Weinbergen nach Hause zu holen. Und dann feiern wir endlich Geburtstag.«
Nachdem Stella gegangen war, fühlte sich Lucie mit einem Mal so leicht und unbeschwert wie lange nicht mehr. In ihrem Inneren, wo vorher diffuse Ängste wie in einem Hinterhalt gelauert hatten, machte sich eine unbändige Lebensfreude breit. Dort, wo vorher alles nur von dem einen Gedanken, nämlich, Joanne gerecht zu werden, besetzt war, wurde jetzt Raum frei, der es Lucie gestattete, auch an ihr eigenes Wohlbefinden zu denken.
M EEANEE , M AI 1933
Daniel wollte Eva unbedingt heiraten, bevor sie nach Wellington gingen. Eva aber hatte es nicht ganz so eilig. Sie würde ihm allerdings niemals verraten, warum, um ihn nicht aufs Neue zu verletzen. Natürlich hieß der wahre Grund Adrian. Die Vorstellung, mit Daniel auf dasselbe Amt zu gehen, in dem sie zwei Jahre zuvor mit Adrian gewesen war, womöglich auch noch zu demselben Standesbeamten, behagte Eva ganz und gar nicht. Sie gab aber vor, dass sie zu viel zu tun habe, weil Lucie ihr zurzeit ihre Lebenserinnerungen diktiere und sie vor ihrer Abreise nach Wellington möglichst alles fertigstellen wolle.
Dabei lief die Arbeit an den Lebenserinnerungen eher schleppend. Stattdessen genoss Eva die plötzlich erlangte Freizeit. Sie machte lange Spaziergänge oder betätigte sich im Haus. Lucie gab ihr freie Hand bei der Inneneinrichtung, und so hatte Eva schon einiges verändert, ohne viel Geld auszugeben. Manchmal genügte es, Dinge einfach nur umzudekorieren, um ihre Wirkung zu erhöhen.
Gelegentlich überkam Eva eine große Traurigkeit bei der Vorstellung, dieses Paradies in absehbarer Zeit zu verlassen. Daniel wurde noch bis September vor Ort gebraucht. Danach würden sie abreisen. Eva war einmal mit Daniel in Wellington gewesen. Die Stadt selbst hatte ihr sehr gefallen, allerdings war sie weit weniger beschaulich als Napier. Es war eine interessante Hafenstadt mit vielen imposanten Gebäuden. Das Architektenbüro lag direkt am Wasser, und all die jungen engagierten Mitarbeiter von Geoffrey & Partner waren begeistert, Eva und Daniel in ihr Team aufzunehmen.
Es war nur ein kurzer Besuch gewesen, aber die Zeit hatte genügt, um sich ein paar Häuser anzusehen. Ihre Wahl war auf ein geräumiges Haus in der Innenstadt gefallen. Es besaß einen großen Garten und lag in Laufweite zu allen wichtigen Geschäften.
So schön und aufregend auch alles sein mochte, Eva fiel es schwer, Napier zu verlassen. Es war nicht nur ein schöner Ort, und sie würde Lucie und Harakeke vermissen, sondern es war wiederum der Gedanke an Adrian, der ihr den Abschied so schwermachte. Sie hatte das Gefühl, ihn damit endgültig zu verlassen. Hinzu kam dieser immer wiederkehrende Albtraum, der sie gerade in den letzten Tagen besonders quälte: Adrian steht auf dem Steg vor seinem Boot, sie sitzt am Ruder, er bittet sie, nicht allein zu segeln, doch sie hört nicht auf ihn und segelt fort. Er springt ins Wasser, will das Boot erreichen, sie kümmert sich aber nicht um ihn, er ruft sie um Hilfe, bis er vor ihren Augen vom Meer verschluckt wird … Sie schreit auf … Und jedes Mal erwachte sie von ihrem eigenen Schreien und saß mit klopfendem Herzen im Bett. Immer weckte sie auch Daniel, der sich rührend um sie sorgte. Er war mit ihr nach Meeanee gezogen. Auf dem Anwesen kümmerte es keinen, dass die beiden jungen Leute unverheiratet zusammenlebten. Lucie hatte Eva ausdrücklich versichert, dass sie die Beziehung zu Daniel billige, doch erst gestern hatte Harakeke aus heiterem Himmel eine Frage gestellt, die Eva zutiefst verunsichert hatte: Was würdest du tun, wenn Adrian
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