Die Maori-Prinzessin
dort drüben, haben wir Fersengeld gegeben.«
»Heißt das, du hast krumme Geschäfte gemacht?«
»Nein, nein, natürlich nicht. Was ist jetzt? Wollen wir uns nicht in Ruhe hinsetzen und plaudern?«
»Ich hole uns eine Flasche Wein und dann …«
»Lassen Sie mich das machen, Miss Eva«, mischte sich Stella ein.
»Gut, wir sind in meinem Salon, denn Lucie will nicht gestört werden. Vielleicht können Sie nachher einmal nach ihr sehen. Ihr ist nicht gut, glaube ich. Ich gehe mit meinem Bruder nach oben.«
Eva nahm Hans bei der Hand und führte ihn die Treppe hinauf. Er sah sich interessiert um. »Arm ist unsere neuseeländische Familie aber nicht. Wie gut, dass du mir geschrieben hattest, dass ihr jetzt doch auf dem Weingut lebt. Ich bedauere natürlich, dass ich die Tante nicht mehr kennengelernt habe. Eine Tragödie, aber der Ort hat etwas. Ich hätte nie damit gerechnet, am anderen Ende der Welt Art-déco-Gebäude zu finden. In Los Angeles gibt es einige, aber in Neuseeland?«
Eva seufzte. Sie wusste nicht, wo sie anfangen sollte mit dem, was sie inzwischen erlebt hatte. Deshalb forderte sie ihren Bruder auf anzufangen. Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er redete wie ein Wasserfall und unterbrach seine Erzählung nur, als Stella mit einem Tablett ins Zimmer kam. Sie brachte nicht nur Wein und Gläser, sondern einen ihrer selbstgebackenen Kuchen, auf den sich Hans mit Heißhunger stürzte.
»Und wie bist du nach all den vergeblichen Versuchen, nun doch noch zu Geld gekommen?«
Hans grinste breit. »Ich habe Wein produziert.«
»Haben sie denn in Amerika keine so strengen Prohibitionsgesetze wie hier?«
»Hast du eine Ahnung. Die wurden von Jahr zu Jahr immer rigider, aber ich habe ausschließlich Messwein hergestellt.« Er zwinkerte ihr zu.
»Den Trick haben schon deine entfernten neuseeländischen Verwandten erfolgreich angewandt. Die Bolds haben ganz eng mit den Maristenbrüder einer Mission zusammengearbeitet, die auch eine Lizenz zum Flaschenabfüllen besaßen.«
»So privilegiert waren wir nicht. Wir haben ein gefährliches Doppelleben geführt und die Schönen und Reichen von Pacific Palisades über Bel Air bis nach Santa Monica und Malibu sowie die Studios in Hollywood beliefert.«
»War das nicht sehr leichtsinnig?«
»Das kannst du laut sagen. Deswegen sind wir bei Nacht und Nebel fort. Wir hatten einen Tipp bekommen, dass auf unserem Weingut eine Razzia stattfinden würde. Und wie du siehst, sind wir rechtzeitig abgehauen. Sonst würden wir jetzt wahrscheinlich ein kalifornisches Gefängnis von innen sehen. In den letzten Monaten kamen übrigens immer mehr deutsche Emigranten. Viele Künstler mit großem Durst nach gutem Wein.«
»Und was haben sie erzählt?«
»Es muss grässlich sein zu Hause. Gegen Juden läuft eine regelrechte Hetzkampagne, aber die meisten wollen schnellstens zurück. Sie geben dem Schreihals höchstens noch ein halbes Jahr. Stell dir vor, mein alter Schulfreund Walter hat mir in seinem letzten Brief die Rückkehr schmackhaft zu machen versucht. Er meinte, solche arischen Kerle wie mich bräuchte das neue Deutschland.«
»Offenbar weiß er nicht, dass Mutter Jüdin war.«
»Nein, das ahnt er nicht, aber es zieht mich nichts zurück. Und dich? Hast du manchmal Heimweh?«
»Nein, schon lange nicht mehr. Neuseeland ist meine neue Heimat. Leider werde ich Napier bald verlassen und nach Wellington ziehen, aber vielleicht kommst du mit?«
Hans lachte. »Nein, die Stadt ist nichts für mich. Ich werde zusammen mit meinem Geschäftspartner und Freund Ben Baldwin eine Schaffarm in der Nähe übernehmen. Er kommt aus Hastings und hat den Kontakt hergestellt.«
»Schade, aber wir haben leider keine andere Wahl, als in Wellington unser Glück zu versuchen.«
»Wer ist ›wir‹, Schwesterchen?«
»Ich werde bald heiraten. Daniel Thomas, einen jungen Architekten.«
Hans sprang auf und umarmte sie überschwänglich. »Man darf also gratulieren? Dann komme ich ja gerade rechtzeitig zur Hochzeit!«
»Heiraten werden wir erst nach unserem Umzug«, erwiderte Eva verlegen.
Es klopfte, und Lucie steckte ihren Kopf zur Tür hinein.
»Störe ich?«, fragte sie mit einem prüfenden Blick auf Hans.
»Nein, du störst überhaupt nicht. Ich dachte nur, du wolltest allein sein. Rate mal, wer der Bursche da ist!«
Ein Lächeln huschte über Lucies Gesicht. »Ihr seht euch ähnlich!« Dann ging sie auf Hans zu und umarmte ihn. »Herzlich willkommen in unserem Haus,
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