Die Maori-Prinzessin
Würgen und fuhr herum. Joannes Gesicht hatte eine grünliche Farbe angenommen. Sie hing über der Reling, während sie sich mehrmals erbrach.
»Du Arme«, sagte er mitfühlend. »Es ist wohl in der Tat nicht der richtige Sport für dich. Soll ich die Segel setzen und dich auf schnellstem Weg ans rettende Ufer bringen?«
»Nein, jetzt lass uns bloß eine Pause einlegen. Ich habe ja nichts mehr im Magen.«
»Dann werde ich den Picknickkorb aus Solidarität auch nicht anrühren«, seufzte Tommy.
»Wer sagt denn, dass ich nichts esse?« Joanne beugte sich hinunter und hob den Korb auf die Bank. Zielsicher griff sie sich ein Glas Mixed Pickles, eine Spezialität Stellas, und bediente sich gierig an den kleinen, in Essig eingelegten Gürkchen.
Tommy schüttelte missbilligend den Kopf. »Nimm erst einmal von dem Kuchen. Den hat Mom selbst gebacken.«
»Moms Kuchen schmecken nicht!«, entgegnete Joanne ungerührt.
»Warum lässt du eigentlich kein gutes Haar an unserer Mutter? Sie legt sich krumm für dich, und du hast nichts als Häme für sie übrig!«, fuhr Tommy sie an.
Joanne rollte mit den Augen. »Jetzt fang nicht schon wieder damit an. Ich versuche doch, nett zu ihr zu sein, aber sie ist mir so entsetzlich fremd.«
»Du bemühst dich nicht einmal! Sie ist der liebste Mensch der Welt. Man muss sie einfach mögen!«
»Sie ist der Grund, warum ich in der Schule jahrelang gehänselt wurde …«
»Das kannst du ihr nicht vorwerfen. Dafür solltest du lieber deine Mitschüler verurteilen, aber nicht Mutter.«
»Warum konnte Vater keine Pakeha heiraten wie alle anderen Väter meiner Mitschüler?«, stieß sie verzweifelt hervor.
»Weil er sie liebt! Und stell dich schon mal seelisch darauf ein, dass du vielleicht eine Frau mit Maoriblut zur Schwägerin bekommst.«
»Ach, macht doch alle, was ihr wollt«, zischte Joanne verächtlich, während sie mit dem Finger eine weitere Gurke aus dem Glas fischte.
Tommy stöhnte auf. Wenn er so weitermachte, dann konnte er seinen schönen Plan vergessen. Wenn sie sich jetzt schon stritten, würde sie sicherlich keinen Pfifferling auf seinen brüderlichen Rat geben.
»Joanne, bitte, lass uns aufhören. Ich will nur dein Bestes, aber du machst es einem so verdammt schwer. Ich finde es einfach gemein, wie du unsere Mutter behandelst.«
»Du hast gut reden. Du bist ja auch ihr Liebling. Hast du mal gesehen, wie weich ihr Blick wird, wenn sie dich ansiehst?«
»Das bildest du dir ein. Sie liebt dich ganz genauso! Aber jetzt wechseln wir mal das Thema …« Er stutzte, weil sie schon wieder dabei war, die Gurken aus den Mixed Pickles herauszusuchen und sie sich mit Heißhunger in den Mund zu schieben.
»Hast du immer schon so gern Gurken gegessen?«
»Weiß nicht, jetzt sag endlich. Wozu hast du mich auf dein Allerheiligstes gelockt?«
Tommy fühlte sich ertappt. Sie hatte sein Manöver also durchschaut. Joanne legte den Kopf schief. »Du führst doch was im Schilde oder wolltest du mir nur wegen Mutter ins Gewissen reden?«
»Ich muss dich was fragen: Liebst du John Clarke?«
Joanne lief knallrot an. »Was ist denn das für eine blöde Frage? Du glaubst nicht im Ernst, dass ich dir mein Herz ausschütte?«
»Das, mein liebes Schwesterchen, habe ich mit meiner Frage auch nicht beabsichtigt. Mich interessiert nur eines: Warum hast du seinen Heiratsantrag angenommen, wo du ihn vorher kaum eines Blickes gewürdigt hast?«
»Das geht dich gar nichts an«, schnaubte Joanne.
»O doch, denn John Clarke ist ein feiner Kerl und mein bester Freund. Wir wissen beide, dass er einen Narren an dir gefressen hat und dass du ihn bislang hast abblitzen lassen. Wieso der Sinneswandel?«
Joanne knallte wütend das Glas mit den Mixed Pickles auf die Bank. »Frag ich dich, warum du dich ausgerechnet in das dumme Gänschen Ellen Frenton verliebt hast, das einzige Maorimädchen aus besserem Haus weit und breit. Das ist dein Schatz, oder?« Joanne blickte ihn herausfordernd an.
Tommy legte den Kopf schief: »Ja und? Was willst du mir damit sagen?«
»Eben nichts! Kein Wort würde ich dazu sagen! Habe ich dir Vorträge gehalten, warum du dir das antust? Nein, ich habe meinen Mund gehalten. Also, halte du dich auch aus meinem Leben raus!«, fuhr Joanne mit ihrer Schimpftirade fort.
Tommy musterte seine kleine Schwester ungläubig.
»Das kannst du doch gar nicht vergleichen. Ich habe mich in Ellen verliebt. Bei uns geht es um aufrichtige Gefühle und nicht um irgendein Theater! Gut, dann
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