Die Maori-Prinzessin
keiner Menschenseele je ein Sterbenswort verraten, aber du musst mir im Gegenzug zwei Dinge versprechen: Du wirst es John vorher sagen …«
»Aber dann wird er mich nicht heiraten. Wer nimmt schon eine Frau, die von einem anderen ein Kind erwartet?«
»Vielleicht so ein anständiger Kerl wie John Clarke. Aber du musst ihm die Chance geben, es frei zu entscheiden. Du darfst ihm kein Kind unterjubeln!«
»Und wenn er mich nicht heiratet?«
»Dann werden wir in der Familie eine Lösung finden. Mutter wird dir bestimmt helfen, das Kind großzuziehen.«
»Das will ich auf keinen Fall!«, schrie Joanne.
»Du hast keine Wahl. Das Risiko musst du eingehen. Und nun zu der zweiten Bedingung: Du wirst Bertram Thomas nicht wiedersehen!«
»Aber das kann ich nicht, nein, bitte, versteh, ich liebe ihn doch …«
Tommy hörte ihr gar nicht zu, sondern stand auf, um nach einem Boot zu sehen, das sich von Steuerbordseite näherte und nach den Regeln »Lee vor Luv« Vorfahrt hatte. Er wollte sich davon überzeugen, dass er schneller war und noch rechtzeitig vor dem anderen Boot dessen Weg kreuzen würde.
Joanne war außer sich. Sie sprang auf und riss mit aller Kraft an der Pinne. Es schepperte und knallte an Bord, besonders als der Mastbaum mit einer infernalischen Kraft auf die andere Seite knallte. Dabei traf er Tommy nicht nur am Kopf, sondern fegte ihn über Bord.
Joanne schrie auf. Sie war völlig hilflos und schockiert. Das Boot drehte sich im Wasser um die eigene Achse.
»Tommy«, brüllte Joanne in das Wasser der Lagune, das plötzlich nicht mehr grün, sondern finster wie die Nacht war. »Tommy!«, wiederholte sie verzweifelt, aber von ihrem Bruder fehlte jede Spur.
N APIER , J ULI 1933
Die Hochzeit von Berenice und Hans wurde im Haus in Napier gefeiert. Dort, wo früher einmal der Anbau mit dem Vorratsschuppen gestanden hatte, gab es inzwischen einen Wintergarten, der die Ausmaße eines Tanzsaals hatte. So konnte auch an diesem trüben Wintertag im Haus in der Cameron Road ein Fest stattfinden.
Eva hätte dieses Ereignis am liebsten geschwänzt, während Daniel gemeint hatte, wenn man eh nichts mehr dagegen unternehmen könne, böte sich doch eine Doppelhochzeit an. Diese Idee hatte Eva rundweg abgelehnt. So heftig, dass Daniel darüber regelrecht verschnupft gewesen war. Und Hans hatte sie gegen ihren erklärten Willen zur Trauzeugin gemacht. Das war in ihren Augen schon schlimm genug, denn so liebreizend sich Berenice auch ihr und Lucie und sogar Harakeke gegenüber verhielt, Eva traute ihr nicht über den Weg.
Das einzig Gute daran war, dass Hans und seine Frau in Zukunft auf ihrer Farm leben würden und Lucie zurück in ihr Haus ziehen konnte.
Berenice war so anhänglich, dass sie sogar Eva dazu ausgewählt hatte, ihr Brautkleid mit ihr auszusuchen. Wo du doch jetzt meine Schwägerin bist, hatte sie gesagt. Eva hatte ein wenig Sorge, dass sie der jungen Frau Unrecht tat, denn anscheinend war sie wirklich glücklich mit Hans. Sollte tatsächlich ihr Herz gesprochen haben? Eva blieb skeptisch. Sie war nicht nachtragend, aber was Berenice sich geleistet hatte, waren keine kleinen verzeihlichen Zockereien, sondern Riesengemeinheiten gewesen. Es gehörte schon einiges dazu, der eigenen Großmutter das Haus abzupressen und eine entfernte Cousine vor der versammelten Gesellschaft bloßzustellen, sodass sie Napier verlassen musste. Und nun hatte Berenice ihr auch noch den Bruder genommen, denn jene stumme und innige Verbundenheit ihrer Kindertage war nicht mehr vorhanden. Zwar erkannte Eva in ihm noch entfernt ihren großen Bruder, aber er hatte sich sehr verändert. Eva befürchtete, dass es mit dem Vermögen zu tun hatte, das er gescheffelt hatte. Sie fand, er übertrieb und agierte manchmal zu oberflächlich. Sie selbst hatte sich ja auch in eine Lady verwandelt, aber war sie auch nur annähernd so materialistisch geworden wie er? Das bezweifelte sie. Es war auffällig, dass es bei Hans in erster Linie um immer größere Statussymbole ging. Er trug die eleganteste Kleidung vor Ort, fuhr das neuste Auto und hatte nun das aufwendigste Hochzeitsfest geplant, das man in einem Privathaus überhaupt begehen konnte. Sie hatten sowohl den Standesbeamten als auch den Pfarrer zu sich bestellt. Es kam Hans sehr gelegen, dass seine Braut katholisch war wie er selbst.
Eva wusste nicht, wie sie es finden sollte, als sie an diesem Tag in Begleitung von Lucie und Harakeke in der Cameron Road eintraf. Der Eingang war mit
Weitere Kostenlose Bücher