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Die Maori-Prinzessin

Die Maori-Prinzessin

Titel: Die Maori-Prinzessin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Walden
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Gold zu finden. Ich war der Beichtvater für einen Haufen junger Abenteurer. Niemals vergesse ich, wie der Bursche mir an dem Tag, als er erfuhr, dass ich zur Mission berufen worden war, die Setzlinge anvertraut hat. Wenn ich genug Geld habe, mir Land zu kaufen, dann folge ich Ihnen, sagte er damals. Und wenn aus den Setzlingen gute Trauben für Wein werden, dann werde ich Winzer. Ich habe damals nicht viel darauf gegeben, aber ihm versprochen, dass ich es versuchen werde. Ich pflanzte sie ein und nach drei Jahren schon waren sie so ertragreich wie unsere Rebstöcke es nie gewesen sind, und die herrlichen Trauben ließen sich zu köstlichem Weißwein verarbeiten. Und dann stand er eines Tages vor unserer Tür, und wir verkauften ihm das Land, auf dem sein Wein wuchs. Er baute sich das Haus und, na ja, den Rest der Geschichte kennst du. Tom ist ein prächtiger Bursche. Er würde dich niemals zu etwas drängen.«
    »Wie nett Sie von mir sprechen, Bruder Pierre«, lachte eine tiefe Stimme.
    Ahorangi und der katholische Geistliche wandten sich um.
    »Wie lange stehst du da schon?«, fragte Ahorangi erschrocken.
    »Leider habe ich nur die letzten Worte Bruder Pierres mitbekommen. Wozu würde ich dich nicht drängen?« Tom beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange.
    »Bruder Pierre meint, du würdest mich niemals dazu zwingen, mich taufen zu lassen.«
    »Der Glaube an Gott ist keine Angelegenheit, zu der man jemanden zwingen könnte«, erwiderte Tom. Er war jetzt ganz ernst geworden.
    Ahorangi griff nach seiner Hand. »Tom, sei ehrlich. Es würde dir viel bedeuten, wenn ich mich dazu durchränge, nicht wahr?«
    »Ja, natürlich, ich bin damit aufgewachsen, die Brüder haben mir geholfen, meine Existenz aufzubauen, und ich würde gern mit Gottes Segen heiraten …«
    Ahorangi drückte Toms Hand ganz fest. Dann wandte sie sich an Bruder Pierre.
    »Taufen Sie mich bitte an dem Tag, an dem Sie uns trauen.«
    Tom sah Ahorangi mit großen Augen an. »Du willst das wirklich tun? Und dein Glaube, deine Götter?«
    »Die behalte ich tief im Herzen. Worauf du dich verlassen kannst. Aber ich werde unsere Kinder in deinem Glauben erziehen. Und ihnen nur ganz nebenbei von Rangi und Papa erzählen.« Ahorangi lächelte verschmitzt. Tom riss sie übermütig vom Stuhl und küsste sie. Die beiden vergaßen die Welt um sich herum und suchten immer wieder die Lippen des anderen.
    Als sie ihre Münder endlich voneinander gelöst hatten, raunte Tom zärtlich: »Ich will dir deine Gottheiten nicht aus dem Herzen reißen; lass bloß nicht unseren lieben Bruder Pierre hören, dass du es nur meinetwegen über dich ergehen lässt.«
    Lächelnd drehte er sich zu dem Stuhl um, auf dem der Geistliche eben noch gesessen hatte, doch der war zu seinem großen Erstaunen leer. Dafür stand auf der Tafel, auf die Ahorangi stets notierte, was sie einkaufen musste, in großen Lettern geschrieben: »Wäre der nächste Sonntag nicht ein schöner Termin zum Heiraten?«



M EEANEE /H AWKE ’ S B AY , A PRIL 1868
    Die weiße Holzkirche St. Mary war an diesem Tag besonders festlich geschmückt. Tom hatte für seine Braut Tausende von Weinblättern gesammelt und den Kirchenboden damit bedecken lassen. Ahorangi hatte ihrerseits eine Überraschung für Tom. Ein Schneider aus Napier hatte ihr ein festliches Kleid aus lindgrüner Seide genäht. Den Stoff hatte ihr Bruder Pierre geschenkt.
    Toms Hände waren schweißnass vor Aufregung, als er vor dem Altar auf seine Braut wartete. Dann begannen die Glocken zu läuten, und Pater Claude nickte ihm aufmunternd zu. Tom heftete seinen Blick an die Holztür, durch die sie jeden Moment kommen musste. Ihm blieb förmlich die Luft weg, als sie am Arm von Bruder Pierre die Kirche betrat. Sie sieht aus wie eine Prinzessin, schoss es Tom durch den Kopf – und dass sie das in ihrem Stamm ja auch tatsächlich war. Ob sie wohl jemals bereuen wird, dass sie sich meinetwegen hat taufen lassen? Bei der Zeremonie kurz zuvor hatte sie jedenfalls alles andere als glücklich gewirkt. Immer wieder hatte sie sich ängstlich umgedreht. Als hätte sie Angst, aber wovor? Auch in diesem Augenblick lag ein Schatten über ihrem Gesicht.
    Ahorangi war jetzt beim Altar angekommen, und Bruder Pierre legte ihre Hand in Toms Hand. So vereint standen sie vor Pater Claude und lauschten seinen Worten. Oder taten zumindest so, denn Ahorangi konnte sich kaum darauf konzentrieren. Immer wieder schlich sich der nächtliche

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