Die Maori-Prinzessin
offensichtlich in der Vergangenheit etwas getan, was nicht die Zustimmung ihrer Tochter gefunden hatte.
»Ich bin dir so unendlich dankbar. Lass es gut sein für heute. Du hast mir eine große Freude gemacht. Ach, wenn doch Berenice nur ein wenig von deinem Arbeitseifer hätte. Mach dir einen schönen Nachmittag! Und morgen kannst du meinetwegen mit den Männern zur Belohnung nach Bold Winery fahren. Du magst Adrians Gesellschaft, nicht wahr? Dann nutz es nur weidlich aus, bis er nach Wellington geht. Und verzeih mir, dass ich gestern so unwirsch auf deinen Herrenbesuch reagiert habe. Da wusste ich ja auch noch nicht, was für eine fleißige junge Frau du bist.« Tante Joanne zwinkerte ihr verschwörerisch zu.
Eva wünschte sich, der Boden würde sich auftun. Es war ja schon schlimm genug, dass sie Adrian mehr mochte, als sie je zugeben würde, aber dass seine Mutter nun einen Narren an ihr gefressen hatte und sie durch die Blume anfeuerte, sein Herz zu gewinnen, bevor er abreiste, war das Letzte.
»Ja, ich gehe dann mal«, erklärte sie hastig und flüchtete sich geradewegs zu Lucie. Sie klopfte und befürchtete, die alte Dame wäre mit Tante Ha im Masonic-Hotel, denn sie erhielt keine Antwort. Sie klopfte noch einmal und war erleichtert, als Lucie schließlich doch noch »Herein!« rief, denn sie hatte das große Bedürfnis, mit der alten Dame zu sprechen. Das rührte sicherlich daher, dass sie den ganzen Vormittag in ihren Sachen gewühlt hatte, vermutete Eva.
Kaum hatte Eva einen Schritt in das Zimmer gesetzt, fiel ihr ein, dass sie ja immer noch von Kopf bis Fuß voller Schmutz war.
»Entschuldigung, ich sollte mich vielleicht erst waschen, bevor ich dich besuche.«
»Nein, nein, setz dich. Meine Sessel werden keinen Schaden erleiden. Aber verrate mir, wo du herkommst! Du bist ja überall schwarz, sogar auf der Nase. Also erzähl schon, in welchem Dreck hast du dich herumgetrieben?«
»Ich habe den alten Wirtschaftsraum geputzt.«
»Du hast was?« Lucies Miene verfinsterte sich.
»Na diesen Raum im Anbau, den offenbar lange keiner mehr betreten hat und in dem deine Sachen …«
»… und wer hat dich damit beauftragt?«, fragte Lucie in scharfem Ton.
»Das hat die alte Stella mich auch schon gefragt. Deine Tochter. Sie will deine Sachen abholen lassen, weil sie den Raum wieder als Wirtschaftsraum nutzen will.«
»Wie bitte?« Lucie war aus ihrem Sessel aufgesprungen.
»Vielleicht solltest du mal mit ihr reden, falls du nicht damit einverstanden bist, dass die Sachen abgeholt werden.«
Lucies Halsadern schwollen gefährlich an, und sie ballte die Fäuste. »Dieser Raum darf nicht betreten werden, hörst du? Ich habe es den Kindern verboten, auch nur einen Fuß hineinzusetzen, und das Verbot niemals aufgehoben. Das ist ein starkes Stück!«
Eva war erschrocken über den plötzlichen Zornesausbruch der alten Dame.
»Ja, es ist auch besser, wenn den Raum vorerst keiner betritt«, pflichtete sie Lucie bei. »Denn der Fußboden ist morsch. Ich bin an einer Stelle mit dem Fuß eingebrochen. Darunter ist wohl ein Keller, und das ist bestimmt gefährlich …«
»O nein«, murmelte Lucie. Sie war blass geworden.
»Entschuldige, ich wusste ja nicht, dass du nicht möchtest, dass der Raum betreten wird.«
»Nicht, solange ich lebe!«, bekräftigte die alte Dame, während sie nervös im Zimmer auf und ab rannte.
»Das tut mir wirklich leid, ich, ich hätte das nicht getan, wenn …«, stammelte Eva.
»Du kannst ja nichts dafür. Gut, dass du es mir gesagt hast! Nun wasch dich und komm zurück. Ich möchte dir meine Geschichte weitererzählen. Wenn wir es heute schaffen, wirst du verstehen, warum dieser Raum tabu ist!«
Mit entschlossener Miene verließ Lucie das Zimmer. »Und ich werde dafür sorgen, dass es niemand mehr wagt, sich meinen Anordnungen diesbezüglich zu widersetzen.«
Eva verließ nach ihr das Zimmer. Als sie laute Stimmen hörte, blieb sie wie angewurzelt stehen und lauschte. Niemals hätte sie Lucie einen solchen Wutausbruch zugetraut. Doch es war unverkennbar ihre Stimme.
»Wie oft habe ich dir gesagt, der alte Wirtschaftsraum ist tabu! Wag es ja nicht noch einmal, einen Schritt hineinzusetzen oder andere dort hinzuschicken«, brüllte sie.
Eva verstand zwar nicht, was Joanne antwortete, weil sie offenbar im Gegensatz zu ihrer Mutter um Contenance bemüht war und flüsterte, aber aus Lucies Reaktion konnte sie schließen, dass es der alten Dame missfiel.
»Es ist mein Haus und der
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