Die Maori-Prinzessin
tiefen Seufzer aus. »Mir ist heute nicht nach Feiern zumute. Ich habe nicht damit gerechnet, dass mich die Erinnerung an die alten Geschichten so mitnimmt. Aber du bist mir noch eine Antwort schuldig. Warum schwänzt du Adrians Feier? Er mag dich sehr gern. Das weiß du doch.«
»Nein, das ist ein Irrtum. Adrian hat nur Augen für eine aufgetakelte junge Dame namens Margret«, stieß sie hervor.
»Margret MacAlister? Ich denke, die lebt in London?«
»Ihre Mutter und sie sind offenbar zurückgekehrt.«
Lucie rollte die Augen. »Dann ist Rosalyn also auch wieder da!«
Eva horchte auf. »Wie du das sagst? Magst du sie nicht? Sie ist anscheinend eine gute Freundin deiner Tochter.«
»Ich weiß«, stöhnte Lucie auf. »Die allerbeste. Joanne ist zu ihnen gezogen, nachdem damals …« Sie stockte. »Ich will nichts vorwegnehmen, aber ich will nicht verhehlen, dass ich sie nicht mag. Und außerdem missfällt es mir, dass sie ihre Tochter Margret genannt hat. Das passt gar nicht zu ihr. Ich kannte mal ein Mädchen, für das der Name wie geschaffen war …« Lucies Augen füllten sich mit Tränen.
Eva wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie schätzte die alte Dame nicht rührselig ein. Es war wohl eher so, dass sie sich an eine besonders traurige Begebenheit erinnerte.
Lucie wischte sich energisch über die feucht gewordenen Augen.
»Diese Margret ist ein halbes Kind!«
»Adrian mag das!«, presste Eva wütend hervor.
»Mach dich nicht lächerlich!«, erwiderte Lucie unwirsch. »Sie ist ein süßes Ding, aber völlig indiskutabel. Sie war schon als kleines Mädchen stets nur an hübschen Kleidchen interessiert. Ich weiß noch, wie Adrian ihr einmal am Strand die Albatrosse zeigen wollte, und sie nur jammerte, weil Sand auf ihr Kleidchen gekommen war … Adrian wollte nie wieder mit ihr spielen …«
Eva lachte gequält auf. »Dann solltest du ihn jetzt einmal ansehen. Er ist entzückt …«
Weiter kam Eva nicht, weil es in diesem Augenblick an der Tür klopfte. Eva wollte ihren Augen nicht trauen, als Adrian die junge Lady, von der gerade die Rede gewesen war, wie selbstverständlich ins Zimmer schob.
»Großmutter, schau, wer da ist. Kennst du sie noch?«
Lucie musterte ihre Besucherin gründlich von Kopf bis Fuß.
»Sieh mal einer an, die kleine Margret. Du bist ja eine richtige Dame geworden.«
Margret lächelte. Gekünstelt, wie Eva fand, aber Adrian schien es zu gefallen.
»Nicht wahr? Sie ist eine englische Lady!«
»Und, wie geht es deiner Mutter?«, fragte Lucie steif.
»Sie hat ihren Mann, meinen Stiefvater, Anfang des Jahres verloren und wollte partout nicht in unserem Londoner Stadthaus bleiben, in dem wir mit ihm gelebt haben. Zum Glück hat er uns nicht völlig mittellos zurückgelassen. Deshalb können wir es uns leisten, in ein traumhaftes Anwesen nach Wellington zu ziehen. Es ist riesig und liegt direkt am Meer. Es ist eines der schönsten viktorianischen Villen, die ich je gesehen habe. Und Mutter hat schon vorgeschlagen, dass Adrian bei uns wohnen kann, wenn er zur Akademie geht. Wir haben doch so viel Platz!«
Lucie quittierte dieses Angebot mit einem Lächeln. »Deine Mutter ist umsichtig wie eh und je. Aber ich glaube, der junge Bursche wird mit seinem Stiefbruder Daniel zusammenziehen. Ist es nicht so, mein Junge?«
»Ja, natürlich, das haben wir geplant, aber Misses MacAlister hat Mutter gerade den Vorschlag gemacht, dass wir sogar beide im Haus wohnen könnten. Dann müsste Daniel nur seine Wohnung aufgeben, und wir könnten in zwei geräumige Zimmer in Misses MacAlisters Haus ziehen.«
»Und was sagt dein Stiefbruder dazu?« Lucies Ton war schneidend, Adrian schien es allerdings nicht zu bemerken.
»Noch hatte ich keine Gelegenheit, ihm den Vorschlag zu unterbreiten, denn meine liebe Schwester hat ihn völlig mit Beschlag belegt. Aber ich denke, er wird begeistert sein.«
»Na, dann wünsche ich euch beiden noch ein schönes Fest.«
»Danke, Misses Bold«, sagte Margret artig.
»Danke, Großmutter!«
Eva stockte der Atem. Seit er dieses Zimmer betreten hatte, hatte er sie noch keines Blickes gewürdigt. Und ich dummes Ding habe geglaubt, es läge ihm etwas an mir, dachte Eva traurig. Sollte ich mich so in ihm getäuscht haben?
Adrian und Margret waren noch nicht aus der Tür, da wandte er sich plötzlich um.
»Was ist mit dir, Eva? Ich hoffe, du feierst gleich weiter mit uns. Du wirst schon schmerzlich vermisst! Wir haben noch gar nicht miteinander
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